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Welche Lehrkraft möchtest du gewesen sein?

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Reflexionsanregungen für das berufliche Selbstverständnis von Lehrer*innen

Vor einigen Jahren verstarb in meinem Umfeld ein befreundeter Schulleiter. Er war nur noch wenige Jahre von der Pensionierung entfernt, voller Lebensfreude und hatte keine nennenswerten Vorerkrankungen. Entsprechend groß waren der Schock und die Trauer um den Verlust eines wunderbaren Menschen, eines Familienmitglieds, Freundes, Vorbilds und Kollegen.

Zu seiner Beerdigung kamen zahlreiche Personen, um ihn und seine Lebensleistung zu würdigen. So war auch das zuständige staatliche Schulamt vertreten und beteiligte sich mit einem Nachruf an der Trauerfeier – einem Nachruf auf seine beruflichen Fähigkeiten, wofür er bei Schüler*innen und Kolleg*innen beliebt war, welche Stationen ihn prägten und welche Leistungen ihm zuzuschreiben waren. Es war ein würdevoller Moment – berührend und voller Respekt für den Verstorbenen.

Was könnte einmal über mich gesagt werden?

Einige Fragen, die mich damals kurz beschäftigten, haben mich in den letzten Wochen wieder eingeholt. Sie sind mir wiederbegegnet, als ich Harald Welzers aktuelles Buch „Nachruf auf mich selbst“ gelesen habe. Darin beschreibt der Soziologe, dass unsere Kultur kein Konzept vom Aufhören hat, dass wir trotz endlicher Naturverhältnisse wieder und wieder das Falsche optimieren und uns dadurch – in der Illusion der Grenzenlosigkeit – unsere Zukunft verbauen. Diese Feststellung umrahmt er mit dem Gedanken, dass unsere Gesellschaft den Tod (als persönliche Endlichkeitserfahrung) ebenso zu einer privaten Sache gemacht hat, wie sie die planetaren Grenzen ignoriert – weil ihr das Können zum Aufhören fehlt.

Um diesen Widersprüchen auf der persönlichen Ebene etwas entgegenzusetzen, empfiehlt Welzer seinen Leser*innen, einen Nachruf auf die eigene Person zu verfassen. Denn: Nur wer weiß, wie er/sie gelebt haben will, kann die Zeit bis zum Tod entsprechend gestalten.

Ein solcher Nachruf erscheint mir als Reflexionsschablone gesamtgesellschaftlich und privat durchaus sinnvoll. Deshalb habe ich mir einige Fragen gestellt: Was soll einmal in meinem Nachruf über mich gesagt werden? Welche Eigenschaften sollen mein berufliches Leben in der Schule geprägt haben? Welche Lehrkraft möchte ich gewesen sein?

Ein Nachruf auf mich selbst

Im Folgenden will ich versuchen, diese Fragen zu beantworten. Ich bin mir dabei nicht sicher, ob diese Aufzählung vollständig sein kann oder ob sie sich im Laufe meines beruflichen Lebens verändern wird. Mir gefällt jedoch der Gedanke, derartige Leitlinien aufzuschreiben und sie immer mal wieder herzunehmen, um zu überprüfen, ob die Richtung stimmt.

Die Frage „Welche Lehrkraft möchte ich gewesen sein?“ soll als Nachruf auf mich selbst also auch ein Kompass für meine zukünftige berufliche Tätigkeit sein. Gerade weil einzelne Punkte darin noch nicht erreicht sind, sind diese Leitlinien eine vor mir liegende Gestaltungsaufgabe, ein persönlicher „call for action“, wie ihn vielleicht alle Lehrkräfte einmal verfassen sollten.

Ich möchte, dass in meinem Nachruf steht:

  1. Er war in seinem Auftreten, seinem Verhalten und in seiner Sprache ein Vorbild für Schüler*innen und seine Mitmenschen.

  2. Er hatte für seine Schüler*innen und Kolleg*innen immer ein offenes Ohr und hat ihre Wünsche, Interessen und Anliegen ernst genommen und sich für sie eingesetzt.

     

  3. Er hat Schüler*innen für unterschiedlichste Themen sensibilisiert, sie menschlich und fachlich inspiriert und ihnen Freude an Bildung und Werten vermittelt.

     

  4. Er hat Schüler*innen in ihrem individuellen Weg begleitet und sie darin bestärkt, Klarheit über sich, ihr Leben und ihre Zukunft zu gewinnen.

     

  5. Er hat sich selbst als Lernenden verstanden, der immer wieder Neues ausprobiert, um die Freude und die Spannung an seiner Arbeit aufrecht zu erhalten.

     

  6. Er war immer dazu bereit, sein Wissen und Können zu teilen, um seine Kolleg*innen zu unterstützen, ihnen Handlungsspielräume zu eröffnen und die Schule weiterzubringen.

     

  7. Er hatte keine Angst davor, Fehler zu machen, sie zuzugeben, über sie zu sprechen und aus ihnen zu lernen.

     

  8. Er hat sich selbst nicht zu ernst genommen und konnte mit anderen und über sich selbst lachen.

     

  9. Er konnte von Ideen, Vorstellungen, Überzeugungen und Zielen ablassen, wenn er merkte, dass diese nicht zu erreichen waren – auch, um seine eigene Gesundheit zu schützen.

     

  10. Er ist nicht davor zurückgeschreckt, Missstände, überholte Traditionen und Ungerechtigkeiten des Schulsystems zu benennen und für deren Beseitigung auf verschiedenen Ebenen aktiv zu werden.

     

  11. Er hat seine Ideale nie dafür verraten, jemandem zu gefallen oder die eigene Karriere zu befördern.

Die Zeit der Veränderung ist die Gegenwart, nicht die Zukunft

Es hat sich merkwürdig angefühlt, diese Punkte zu umreißen, sie in ihren Formulierungen zu verdichten und sich vorstellen, dass das jemand über mich sagen könnte. Sie aufzuschreiben hatte etwas Beklemmendes. Gleichzeitig fühlte ich mich gerührt und dennoch im Zweifel, ob es nicht auch etwas Arrogantes hat, so über sich selbst nachzudenken. 

Dennoch bin ich davon überzeugt, dass diese Übung eine wertvolle Reflexion darstellt. Die Zeit, an sich selbst zu arbeiten, ist schließlich in der Gegenwart, und nicht in der Zukunft. 

Wer sich klarmacht, wie er/sie sein möchte, kann daran arbeiten, diese Person zu werden. Wer das verpasst, muss andere beurteilen lassen, wie er/sie gewesen ist. Besonders bedeutsam erscheint mir das in der Phase des Referendariats und in den ersten Jahren als eigenverantwortliche Lehrkraft. Hier wird die Lehrer*innenpersönlichkeit ausgebildet und von verschiedenen Faktoren geprägt. 

Gleichwohl ist es nie zu spät, um über sich und das eigene (berufliche) Selbstverständnis nachzudenken. Aus diesem Grund lade ich alle Leser*innen dieses Beitrags dazu ein, ihren eigenen Nachruf auf sich selbst zu verfassen – schulbezogen oder auf sich selbst als Privatperson. 

Welche Lehrkraft möchtest du gewesen sein?

—

Ich bedanke mich herzlich bei Harald Welzer für seine starke Idee und für sein inspirierendes Buch „Nachruf auf mich selbst“ und empfehle dieses ausdrücklich zur Lektüre.

Welzer, H. (2021): Nachruf auf mich selbst. Die Kultur des Aufhörens. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag.

Veröffentlicht am 22. März 2022

Zuletzt aktualisiert am 22-03-2022

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Joscha FalckFollow

Lehrer | Schulentwicklungsmoderator | Referent für Schulentwicklung und digitale Transformationsprozesse | Blogger | Gewerkschafter

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AvatarJoscha Falck@joschafalck·
Mai 16, 2022

Im Fortbildungsbereich dürfen die Kolleg*innen nicht vergessen werden, die in den letzten Jahren aus privaten Gründen nicht oder nur sehr wenig an der Schule waren (z.B. aufgrund von Elternzeit) und sich an digitale Arbeitsformen erst heranarbeiten müssen! #twlz

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AvatarJoscha Falck@joschafalck·
Mai 16, 2022

Das Innovationsteam für digitale Bildung RH-SC/WUG lädt interessierte #BayernEdu -Kolleg*innen der Grund- und Mittelschule am 24. Mai zum digitalen Workshop-Tag ein.

Thema: Tablets im Unterrichtsverlauf einsetzen.

FIBS-Link: http://fibs.alp.dillingen.de/suche/details.php?v_id=248383

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AvatarJoscha Falck@joschafalck·
Mai 12, 2022

Mit Freude und Solidarität im Herzen lese ich #10Dinge von @blume_bob. Er gibt der Wut zahlreicher Kolleg*innen eine Stimme und trägt den dringlichen Wunsch nach einer besseren Schule in die breite Öffentlichkeit. Leseempfehlung! #twlz

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