Über schulbezogene Fortbildungsreihen im Netz
Während meiner Studienzeit an der Universität Bamberg bemühte ein akademischer Oberrat am Lehrstuhl für Schulpädagogik ein einprägsames Bild. Er riet den Studierenden, Seminare als Steinbrüche zu begreifen, aus denen man sich mit einem Hämmerchen etwas für die eigene Tätigkeit herausklopfen könne. Er sprach von Rahmentheorien, die in den Lehrveranstaltungen angeboten würden, und von Individualtheorien für die eigene pädagogische Praxis. Gemeint war, dass das Wissen der Welt auch anschlussfähig gemacht werden muss, zum Beispiel durch gezielte Auswahl und aktives Kleinarbeiten für den eigenen Kontext. Die Fähigkeit, die man dazu benötigt, bezeichnete er (mit einem Verweis auf Immanuel Kant) als Urteilskraft.
An Schulen fehlt es häufig an Zeit und den richtigen Strategien, die unübersichtlichen Möglichkeiten zur Gestaltung von Unterricht und pädagogischer Arbeit für die eigene Praxis zu sichten und entsprechend anzupassen. Und manchmal fehlt es vielleicht auch an Urteilskraft, um in der Fülle an Angeboten den Überblick zu behalten und das Nützliche vom Unnützen zu unterscheiden. An Anregungen bzw. an Steinbrüchen, um im Bild zu bleiben, mangelt es in jedem Fall nicht. Es braucht lediglich genug wissbegierige Menschen, die gerne lesen, stöbern, forschen, Barcamps und Fortbildungen besuchen oder im Twitterlehrerzimmer mitlesen. Menschen, die Freude daran haben, ihre eigene Inspiration aufzubereiten und in Form von Schulungen oder Materialien wieder anzubieten. Kurzum: Menschen, die dank profunder Urteilskraft das pädagogisch-didaktische Weltwissen in den eigenen Mikrokosmos hineintragen wollen.
Auf einen Kaffee oder Tee
Eine dieser Personen ist die Gymnasiallehrerin und Fortbildnerin Anne-Katrin Weiß. Mit ihrer Serie „Auf einen Kaffee oder Tee“ hat sie ein passgenaues Format gefunden, mit dem sie Fundstücke aus dem Netz, Fortbildungsveranstaltungen und interessante Projekte in ihr eigenes Kollegium am Ohm-Gymnasium Erlangen transferiert. Seit Februar 2021 bietet sie ihre Fortbildungshäppchen einmal pro Woche ihren Kolleg*innen und bei Twitter als interaktives PDF an. Der Umfang liegt zwischen ein und drei Seiten, die Serie erscheint immer am Anfang der Woche. Der Titel hängt mit der garantierten Lesezeit zusammen, wenngleich der Zeitaufwand natürlich größer ist, wenn man die angebotenen Links auch entsprechend verfolgt. Nach mittlerweile 75 Ausgaben (Stand Oktober/2022) erfreut sich die Serie großer Beliebtheit.
Seit der Ausgabe 62 erscheint „Auf einen Kaffee oder Tee“ in einer zweiten Version, die (auf eine Seite reduziert) per QR-Code auf die umfangreichere Version verweist. Diese b-Version kann ausgedruckt und z.B. in Lehrer*innenzimmern ausgehängt werden.
Meine Woche im Twitterlehrerzimmer
Ein ähnliches Anliegen verfolgt die angehende Lehrerin und Fortbildnerin Katharina Sambeth mit ihrer Serie „Ideen aus dem #twlz“, die mittlerweile als „Kathas Woche im #twlz“, „Björns Woche im #twlz“ oder „Unsere Woche im #twlz“ erscheint. Darin fasst sie die wichtigsten Ideen des Twitterlehrerzimmers Woche für Woche auf ihrem Blog zusammen. Mit Tweet-Screenshots bietet sie eine subjektive Zusammenstellung ihres persönlichen Best-Ofs als PDF-Datei an. Die Abbildungen sind mit entsprechenden Links hinterlegt. Im Vergleich mit der Serie „Auf einen Kaffee oder Tee“ leistet Sambeth jedoch etwas weniger „redaktionellen“ Aufwand. Einerseits blickt Sambeth nicht über das Twitterlehrerzimmer hinaus. Andererseits fehlen thematische Schwerpunktsetzungen, wie es sie bei Weiß z.B. mit einer Sonderausgaben zu den MINT-Fächern oder verschiedenen Sonderausgaben bereits gegeben hat.
Handouts für Lehrerinnen und Lehrer
Etwas älter, dafür aber nicht weniger nützlich, sind die Initiativen von Kai Wörner und Jan Vedder. Wörner hatte bereits 2018 Handouts für Lehrerinnen und Lehrer zur digitalen Bildung erstellt und auf der Plattform BayernEdu als OER-Material (Open Educational Ressource) zur Verwendung angeboten. Die Handouts umfassen mehr als 20 Themen für einen Unterricht mit digitalen Medien, aufbereitet jeweils als Doppelseite.
Ein ähnliches Projekt verfolgte Jan Vedder mit einer Padlet-Lerntheke, mit der er Steckbriefe zu digitalen Unterrichtsmethoden aufbereitet hat. Jeder Steckbrief beschreibt auf einer Seite einen Inhaltsbereich, angereichert mit Links zu Tutorials und nützlichen Materialien. Unter anderem finden sich hier Informationen zu Erklärfilmen, dem Flipped Classroom-Konzept oder dem kooperativen Schreiben.
Alle vorgestellten Initiativen sind kostenfrei im Netz abrufbar und eignen sich sowohl für das Selbststudium als auch zur Weiterbildung im eigenen Kollegium. Während die Angebote von Sambeth und Weiß ein gewisses Maß an Aktualität aufweisen (wollen), sind die Handouts von Wörner und Vedder von vornherein eher zeitlos angelegt. Die Handouts eignen sich daher als Grundlage einer Mikro-Fortbildungsreihe zu Basisthemen der digitalen Bildung. Die wöchentlichen Angebote von Sambeth und Weiß können hingegen als regelmäßiger Input einfach verteilt werden. Um die Serie „Auf einen Kaffee oder Tee“ auch für Interessent*innen außerhalb der Sozialen Medien zugänglich zu machen, habe ich alle Ausgaben in einem Padlet angelegt und bemühe mich, diese Sammlung aktuell und übersichtlich zu halten.
Weblink zum Padlet: https://padlet.com/joschafalck/aufeinenkaffee
Jedes Kollegium sollte ein „Hämmerchen“ vergeben können
Die vorgestellten Angebote sind freilich nur eine Auswahl. Sie reihen sich ein in eine Vielzahl an lesenswerten Blogs, die wiederum neben kommerziellen Plattformen, Zeitschriften und pädagogischen Publikationen stehen. Die Hervorhebung der Initiativen von Weiß, Sambeth, Wörner und Vedder steht stellvertretend für gelungene und kostenfreie Angebote, die direkt und ohne Aufwand in die eigenen Schulentwicklungsprozesse implementiert werden können.
Unabhängig davon wäre es aus meiner Sicht aber auch grundsätzlich wünschenswert, wenn jedes Kollegium eine oder mehrere Personen institutionell mit einem „Hämmerchen“, also mit ein bis zwei Ermäßigungsstunden, ausstatten könnte, um schulbezogenes Wissen zu sichten und in das eigene Kollegium zu multiplizieren. Wie dargestellt, braucht es dafür keine riesigen Bemühungen. Ein einigermaßen regelmäßig aufgelegtes interaktives PDF in Kaffee-Leselänge sowie hin und wieder eine Mikro-Fortbildung sind dafür völlig ausreichend. Die Arbeit kann man sich teilen und wenn man es einmal nicht schafft, kann auf die hier beschriebenen Angebote zurückgegriffen werden.
Leseempfehlungen für schulbezogene Blogs
Zu guter Letzt möchte ich noch auf einige weitere Angebote verweisen, deren Lektüre sich aus meiner Sicht ebenfalls lohnt. Zu nennen sind die Angebote von Nele Hirsch mit ihrem inspirierenden Blog www.ebildungslabor.de, die Veröffentlichungen von Philippe Wampfler auf www.schulesocialmedia.com, die lesenswerten Artikel des Schulleiters Tobias Schreiner auf www.tobias-schreiner.net, die engagierten Plädoyers von Jan Vedder auf www.vedducation.de, die vielseitigen Analysen des Netzlehrers Bob Blume auf www.bobblume.de, die didaktischen Reflexionen von Hauke Pölert auf www.unterrichten.digital und die analysierenden Beiträge von Axel Krommer auf www.axelkrommer.com.
Wer noch weitere Fortbildungsreihen kennt, darf diese gerne über die Kommentarfunktion ergänzen!
Veröffentlicht am 27. Mai 2021
2 thoughts on “Die Multiplikation der guten Ideen”