Operatoren, Formulierungen und Bewertungsansätze für prozessorientiertes Lernen
In Fortbildungen werde ich immer wieder gefragt, wie man den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei Aufgaben im Unterricht und in Prüfungssituationen bewerten soll. Diese Frage ist keinesfalls trivial und auch nicht leicht zu beantworten, da es bislang kaum Beispiele für eine veränderte Bewertungskultur mit KI-integrierenden Aufgaben gibt – auch wenn eine solche Weiterentwicklung der Prüfungskultur häufig gefordert wird. Zudem ist an vielen Stellen unklar, was mit Blick auf die Prüfungsbestimmungen des jeweiligen Landes möglich ist bzw. zukünftig möglich sein wird.
Die Handlungsempfehlungen der KMK
Trotz dieser Unsicherheiten ist es ziemlich unstrittig, dass sich mit Blick auf die KI-Revolution des Lernens auch die schulische Prüfungspraxis ändern muss. Nicht zuletzt empfiehlt die KMK als höchstes Koordinierungsgremium im Bildungsbereich, KI-Tools als Hilfsmittel zuzulassen und deren Nutzung in die Bewertung einzubeziehen. Bei der Überarbeitung der Prüfungskultur sollen „die Bereiche Prozessbewertung und Mehrdimensionalität (schriftlich, mündlich, praktisch, digital) stärker als bisher in den Blick (…)“ genommen werden. Es gilt, „die Bewertung weg von der Produkt- hin zur Prozessorientierung zu lenken, wobei der Reflexion durch die Lernenden eine entscheidende Rolle zugesprochen wird“. Und: „Prüfungsformate, die juristisch nicht einwandfrei der in der Aufgabe geforderten eigenständigen Leistung einer Schülerin bzw. eines Schülers zugerechnet werden können, werden abgeschafft oder grundlegend weiterentwickelt.“
Mit Blick auf neue Formate heißt es zudem: „Bei der Entwicklung neuer Prüfungsformate sind zusätzlich sowohl hilfsmittelunterstützte, längerfristig vorbereitete, kollaborative sowie dialogische als auch Leistungen aufzunehmen, die im Rahmen einer Präsentation erbracht werden. Sofern bei der Erstellung eines Produkts KI genutzt wird, soll bei der Leistungsmessung im Rahmen einer Präsentation und insbesondere in der Verteidigung zusätzlich die versierte Koaktivität und die Fähigkeit, die Ergebnisse zu reflektieren, berücksichtigt werden“ (Handlungsempfehlungen für die Bildungsverwaltung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in schulischen Bildungsprozessen, S. 7).
Drei Bereiche einer veränderten Prüfungspraxis
Auch wenn die Richtung klar ist, scheint es mit Blick auf die Unterrichtspraxis notwendig, die einzelnen Punkte zu konkretisieren. Was heißt denn „versierte Koaktivität“? Wie genau kann eine Prozessorientierung mit KI-Einsatz aussehen? Und wie kann der Reflexion eine entscheidende Rolle zugesprochen werden?
Um diesen Fragen nachzugehen, möchte ich vor allem drei Bereiche einer veränderten Prüfungspraxis in den Fokus rücken: Die Orientierung an Prozessen, die Renaissance der mündlichen Prüfung und die Kombination alternativer Leistungsformate mit KI als Hilfsmittel (vgl. Abbildung). Will man diese Bereiche in unterrichtliche Aufgaben (Fokus auf formative Lernbegleitung) und Prüfungen (Fokus auf Bewertung und Benotung) mit KI-Integration übersetzen, braucht es geeignete Operatoren, entsprechende Formulierungen für Arbeitsaufträge und eine Verbindung mit Kompetenzen, die entweder gefördert oder deren Nachweis bewertet werden soll(en).
Darüber hinaus möchte ich an einer Beispielaufgabe zeigen, wie deren Bepunktung und die Überführung der dazu erforderlichen Fähigkeiten in ein Kompetenzraster aussehen kann. Alle Überlegungen sind als Vorschläge und Diskussionsimpulse zu lesen und bauen auf meinen Gedanken zum Thema Prüfungsaufgaben und KI sowie auf meinen ersten Gehversuchen zum Einsatz von Fiete in einer Deutsch-Prüfung auf.
Inhaltsverzeichnis
Mögliche KI-Operatoren
Als erstes möchte ich einen Blick auf mögliche Operatoren für KI-integrierende Aufgabenstellungen werfen. Diese sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit in der folgenden Tabelle beschrieben und können ergänzend zu fachinhaltlichen Aspekten zum Einsatz kommen. In der rechten Spalte findet sich eine Erläuterung, was Schülerinnen und Schüler hierbei tun sollen/müssen.
Operator | Beispielhafte Beschreibung |
Erläutern | Die SuS verdeutlichen die Ziele und Motivation für den KI-Einsatz. |
Begründen | Die SuS machen die Auswahl des KI-Tools und des jeweiligen Vorgehens nachvollziehbar. |
Dokumentieren | Die SuS halten den Verlauf von Eingaben, die Prompts sowie Anpassungen fest. |
Vergleichen | Die SuS stellen KI-gestützte Ansätze mit eigenen Arbeitsmethoden gegenüber. |
Analysieren | Die SuS untersuchen Fehlinterpretationen und deren Einfluss auf das Ergebnis. |
Reflektieren | Die SuS bewerten eigenen Lernzuwachs durch KI, Verlässlichkeit und Einfluss auf die Arbeit. |
Empfehlen | Die SuS geben eine Bewertung ab, ob und wann KI für diese Art von Aufgaben sinnvoll ist. |
Bewerten | Die SuS bestimmen, welche KI-Outputs hilfreich waren und welche verworfen wurden. |
Erkennen | Die SuS stellen fest, wann KI-Output besser oder nützlicher als eigene Ideen ist. |
Interpretieren | Die SuS beschreiben eigenen Umgang und Zusammenwirken mit KI für inhaltliches Verständnis. |
Optimieren | Die SuS formulieren Ideen zur Verbesserung des KI-Outputs und idealen KI-Einsatz. |
Beschreiben | Die SuS veranschaulichen Zusammenarbeit zwischen menschlicher Ideenentwicklung und KI-Einsatz. |
Zeitaufwand kalkulieren | Die SuS beurteilen, wie der KI-Einsatz die eigene Arbeitszeit beeinflusst (hat). |
Ethik abwägen | Die SuS reflektieren ethische und soziale Dimensionen des eigenen KI-Einsatzes. |
Kompetenz bewerten | Die SuS schätzen sich selbst und die eigenen Fortschritte im Umgang mit KI ein. |
Mögliche Arbeitsaufträge zu den Operatoren
Darauf aufbauend sollen in der nächsten Tabelle mögliche Arbeitsaufträge dargestellt werden. Passend zu den jeweiligen Operatoren sollen sie Schülerinnen und Schüler dazu bringen, kritisch, zielführend und reflektiert mit KI umzugehen (das würde ich als versierte Koaktivität bezeichnen). Diese Meta-KI-Arbeitsaufträge sind fachunabhängig und können an verschiedene Inhalte angepasst werden. Sie eignen sich sowohl für klassische Prüfungsformate wie für projektartig gestellte Aufgaben.
Operator | Möglicher Meta-KI-Arbeitsauftrag |
Erläutern | Erläutere die Ziele, die du beim Einsatz von KI verfolgt hast. Was wolltest/möchtest du erreichen? |
Begründen | Welche Tools wurden dabei verwendet? Begründe, warum du dich für dieses Werkzeug entschieden hast! |
Dokumentieren | Welche Prompts hast du verwendet? Dokumentiere deinen Verlauf und erläutere an einem selbst gewählten Beispiel-Prompt, warum dich dieser zu deinem Ziel bringt! |
Vergleichen | Beschreibe, wie du ohne den Einsatz von KI vorgegangen wärst. Vergleiche diesen Prozess mit deinem KI-gestützten Ansatz und reflektiere, wie sich deine Arbeitsschritte und dein Denken dadurch verändert haben. |
Analysieren | Gab es Momente, in denen die KI deinen Input falsch interpretiert hat? Beschreibe den Fall und erläutere, was dies für die Qualität deiner Arbeit bedeutete. |
Reflektieren | Reflektiere, wie sicher du dich im Umgang mit der KI fühlst. Was hast du über den optimalen Einsatz von KI in deinem Arbeitsprozess gelernt? |
Empfehlen | Würdest du den Einsatz von KI bei der Bearbeitung dieser Aufgaben empfehlen oder eher nicht? Warum? |
Bewerten | Welche Ergebnisse der KI wurden von dir übernommen, welche nicht? Warum? |
Erkennen | Woran konntest du erkennen, dass der KI-Output besser ist als eigene Ideen? |
Interpretieren | Welchen Inhalt konntest du mithilfe von KI besser verstehen/verarbeiten? Warum? |
Optimieren | Wie würdest du den KI-Output optimieren oder verbessern, wenn du die Möglichkeit hättest, an der KI mitzuarbeiten? Begründe, warum diese Änderungen für deine Ziele wichtig wären. |
Beschreiben | Beschreibe einen Moment, in dem deine eigenen Ideen und die der KI besonders gut zusammengepasst haben. Warum hat diese Zusammenarbeit funktioniert? |
Zeitaufwand kalkulieren | Hast du durch die KI-gestützte Bearbeitung Zeit gespart oder im Gegenteil mehr Zeit für bestimmte Arbeitsschritte benötigt? Welche Bedeutung hatte der Zeitaufwand für deine Arbeitsqualität? |
Ethik abwägen | Welche ethischen oder sozialen Überlegungen sind dir beim Einsatz der KI gekommen? Gab es Bereiche, in denen du den Einsatz der KI hinterfragt hast? |
Kompetenz bewerten | Reflektiere, wie sicher du dich im Umgang mit der KI fühlst. Was hast du über den optimalen Einsatz von KI in deinem Arbeitsprozess gelernt? |
Eine Auswahl dieser Meta-KI-Aufgaben findet sich überblicksartig in der folgenden Grafik ↓
Zugehörige Kompetenzen
Im nächsten Schritt sollen die Kompetenzen aufgeführt werden, die bei den beschriebenen Meta-KI-Arbeitsaufträgen und den jeweiligen Operatoren angebahnt oder geprüft werden sollen. Mit Blick auf die KMK-Empfehlungen zeigt sich, dass neben der Fähigkeit zur Reflexion von Input und Output auch der Blick auf den eigenen Arbeitsprozess und Arbeitsfortschritt entscheidend ist. Darüber hinaus benötigen Schülerinnen und Schüler ein umfassendes Verständnis von KI-Anwendungen, deren Funktionsweisen sowie von deren Potenzialen und Grenzen. In dieser Kombination lassen sich spezielle KI-Kompetenzen zusätzlich zu fachlichen und anderen überfachlichen Kompetenzen abbilden.
Operator | Möglicher Meta-KI-Arbeitsauftrag | Kompetenzen |
Erläutern | Erläutere die Ziele, die du beim Einsatz von KI verfolgt hast. Was wolltest/möchtest du erreichen? | Zielsetzung, Reflexionsfähigkeit, Metakognition, Planungskompetenz |
Begründen | Welche Tools wurden dabei verwendet? Begründe, warum du dich für dieses Werkzeug entschieden hast! | Reflexionsfähigkeit, Begründungskompetenz, Auswahlkompetenz, Bewertungsfähigkeit von Tools |
Dokumentieren | Welche Prompts hast du verwendet? Dokumentiere deinen Verlauf und erläutere an einem selbst gewählten Beispiel-Prompt, warum dich dieser zu deinem Ziel bringt! | Dokumentation, Analyse von Prompts, Promptkompetenzen, Reflexionsfähigkeit |
Vergleichen | Beschreibe, wie du ohne den Einsatz von KI vorgegangen wärst. Vergleiche diesen Prozess mit deinem KI-gestützten Ansatz und reflektiere, wie sich deine Arbeitsschritte und dein Denken dadurch verändert haben. | Vergleichskompetenz, Prozessanalyse, Reflexionsfähigkeit |
Analysieren | Gab es Momente, in denen die KI deinen Input falsch interpretiert hat? Beschreibe den Fall und erläutere, was dies für die Qualität deiner Arbeit bedeutete. | Kritisches Denken, Fehleranalyse, Qualitätseinschätzung |
Reflektieren | Reflektiere, wie sicher du dich im Umgang mit der KI fühlst. Was hast du über den optimalen Einsatz von KI in deinem Arbeitsprozess gelernt? | Selbstreflexion, Prozesskompetenz, Metakognition |
Empfehlen | Würdest du den Einsatz von KI bei der Bearbeitung dieser Aufgaben empfehlen oder eher nicht? Warum? | Reflexionsfähigkeit, Urteilskompetenz, Argumentationsfähigkeit |
Bewerten | Welche Ergebnisse der KI wurden von dir übernommen, welche nicht? Warum? | Reflexionsfähigkeit , Bewertung, Entscheidungskompetenz, Begründungskompetenz |
Erkennen | Woran konntest du erkennen, dass der KI-Output besser ist als eigene Ideen? | Reflexionsfähigkeit, Vergleichen der Ergebnisse |
Interpretieren | Welchen Inhalt konntest du mithilfe von KI besser verstehen/verarbeiten? Warum? | Reflexionsfähigkeit, Verständnis und Verarbeitung von Inhalten |
Optimieren | Wie würdest du den KI-Output optimieren oder verbessern, wenn du die Möglichkeit hättest, an der KI mitzuarbeiten? Begründe, warum diese Änderungen für deine Ziele wichtig wären. | Optimierungskompetenz, Analysefähigkeit, KI-Wissen |
Beschreiben | Beschreibe einen Moment, in dem deine eigenen Ideen und die der KI besonders gut zusammengepasst haben. Warum hat diese Zusammenarbeit funktioniert? | Kooperationsskompetenz, Synergieerkennung |
Zeitaufwand kalkulieren | Hast du durch die KI-gestützte Bearbeitung Zeit gespart oder im Gegenteil mehr Zeit für bestimmte Arbeitsschritte benötigt? Welche Bedeutung hatte der Zeitaufwand für deine Arbeitsqualität? | Zeitmanagement, Qualitätseinschätzung |
Ethik abwägen | Welche ethischen oder sozialen Überlegungen sind dir beim Einsatz der KI gekommen? Gab es Bereiche, in denen du den Einsatz der KI hinterfragt hast? | Ethikkompetenz, Verantwortungsbewusstsein |
Kompetenz bewerten | Reflektiere, wie sicher du dich im Umgang mit der KI fühlst. Was hast du über den optimalen Einsatz von KI in deinem Arbeitsprozess gelernt? | Selbstbewertung, Prozesskompetenz |
Beispiel-Aufgaben
Wie eingangs beschrieben, soll in diesem Beitrag auch darauf eingegangen werden, wie derartige Aufgabenstellungen konkret bewertet werden können. Die beschriebenen Meta-KI-Arbeitsaufträge ergänzen dabei inhaltliche Aspekte aus Deutsch, Mathe, Englisch (…). Da ihre Beantwortung/Bearbeitung ebenfalls in die Bewertung einfließt, verschieben sich zu vergebende Punkte in Richtung der geforderten Prozessorientierung. Der Fokus auf Inhaltsaspekte wird zugunsten einer bewerteten Koaktivität zurückgedrängt. Dazu habe ich im Folgenden zwei Operatoren (Dokumentieren und Reflektieren) herausgegriffen und mit einem dreigeteilten Arbeitsauftrag versehen. Auf die Aufgaben gibt es jeweils fünf Punkte.
Teil 1: Dokumentiere den Einsatz von KI bei der Aufgabenbearbeitung (5 Punkte)
- Erläutere, welchen Prompt du verwendet hast und warum du ihn so formuliert hast.
- Dokumentiere, welche Ergebnisse du erhalten hast und wie du diese angepasst oder verfeinert hast.
- Zeige an einem Beispiel, wie du den KI-Output überprüft und ggf. geändert hast, um dein Ziel zu erreichen.
Teil 2: Reflektiere über die Unterstützung der KI (5 Punkte)
- Inwiefern hat dir die KI beim Verstehen dieser Aufgabe geholfen? Nenne konkrete Beispiele.
- An welchen Stellen hast du dich bewusst für/gegen den KI-Output entschieden und warum?
- Würdest du beim nächsten Mal wieder mit einer KI arbeiten? Begründe deine Entscheidung.
Im nächsten Schritt soll transparent gemacht werden, wie die Vergabe bzw. die Verteilung der fünf Punkte begründet werden kann. Dazu ist es notwendig, die Punkte mit verschiedenen Anforderungen zu verknüpfen, also einen KI-bezogenen Erwartungshorizont zu formulieren.
Mögliche Punktebewertung
Teil 1: Dokumentieren (5 Punkte)
- 5 Punkte: Die Dokumentation ist vollständig (Prompt mit Erläuterung angegeben, Dokumentation der Ergebnisse vorhanden, Erklärung zur Anpassung/Verfeinerung gegeben, Beispiel mit Überprüfung/Veränderung vermerkt) und zeigt deutlich, wie der KI-Output durchdacht und gezielt verändert wurde. Der Schüler reflektiert seine Eingaben und Anpassungen gründlich, und der dokumentierte Prozess ist logisch nachvollziehbar.
- 3-4 Punkte: Die Dokumentation enthält Prompts, Ergebnisse und Erläuterungen, jedoch fehlt eine tiefere Reflexion zur Veränderung/Anpassung der Prompts und/oder zur Qualität des Outputs.
- 1-2 Punkte: Die Dokumentation ist unvollständig oder lückenhaft. Es wird wenig bis keine Reflexion gezeigt, und die Anpassungen sind kaum nachvollziehbar. Der Einsatz der KI bleibt unklar.
- 0 Punkte: Es wurde keine Dokumentation zum KI-Einsatz erstellt.
Teil 2: Reflektieren (5 Punkte)
- 5 Punkte: Die Reflexion bezieht sich klar auf Aspekte der Aufgabe und wie die KI beim Verstehen der Aufgabe hilfreich/nicht hilfreich war. Der Schüler skizziert beispielhaft eine Entscheidung für/gegen die KI und begründet diese. Die Reflexion enthält Überlegungen für zukünftige Arbeiten mit/ohne KI.
- 3-4 Punkte: Der Schüler benennt an einem Beispiel, wie die KI beim Verstehen der Aufgabe hilfreich/nicht hilfreich war. Die Reflexion enthält eine Entscheidung für/gegen die KI. Differenzierte Begründungen, insbesondere mit Blick auf zukünftige Arbeiten fehlen jedoch.
- 1-2 Punkte: Die Reflexion ist oberflächlich, es fehlen differenzierte Begründungen. Die Möglichkeiten und die Grenzen der KI sind in Bezug auf die Aufgabe und den eigenen Lernprozess kaum reflektiert.
- 0 Punkte: Es ist keine Reflexion zum Einsatz der KI vorhanden.
Darstellung in Kompetenzrastern
Zuletzt möchte ich zeigen, dass sich derartige Aufgaben auch in Kompetenzraster überführen lassen. Dazu habe ich den beiden ausgewählten Operatoren vier Kompetenzstufen und verschiedene Ich-Kann-Formulierungen zugeordnet. Diese können Ausgangspunkt für Selbsteinschätzung und/oder Lernberatung (formative Begleitung) sein. Gleichzeitig können sie am Ende eines Lernprozesses als Bewertungsgrundlage herangezogen werden. Alternativ zu den oben formulierten Erwartungshorizonten könnten so auch Punkte zugeordnet werden, die über einen Bewertungsschlüssel in eine Note übersetzt werden können.
Kompetenzbereich | Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 | Stufe 4 |
Dokumentieren | Ich kann den Einsatz der KI in Grundzügen dokumentieren, benötige aber Unterstützung beim Formulieren und Strukturieren meiner Schritte. | Ich kann meinen KI-Einsatz beschreiben und die Schritte nachvollziehbar dokumentieren, benötige jedoch noch Anleitung, um meine Anpassungen klar zu begründen. | Ich kann den KI-Einsatz strukturiert dokumentieren und meine Anpassungen erklären, um zu zeigen, wie sie zur Verbesserung meiner Arbeit beitragen. | Ich kann meinen gesamten KI-Einsatz detailliert und nachvollziehbar dokumentieren, eigene Anpassungen begründet darstellen und den Prozess reflektiert beschreiben. |
Reflektieren | Ich kann einige Aspekte der KI-Nutzung benennen, habe aber Schwierigkeiten, den Nutzen und die Grenzen für meine Arbeit zu reflektieren. | Ich kann benennen, an welchen Stellen ich KI eingesetzt/genutzt habe und teilweise begründen, ob und warum ich den Output übernommen habe oder nicht. | Ich kann meine KI-Nutzung benennen, die Unterstützung durch die KI anhand von Kriterien reflektieren und begründen, ob und warum ich welchen Output übernommen habe oder nicht. | Ich kann meinen KI-Einsatz selbstständig und tiefgehend reflektieren, differenziert begründen und fundiert einschätzen, wie die KI meine Arbeit positiv/negativ unterstützt, ergänzt und oder beeinflusst hat. |
Kombination mit anderen Prüfungsformaten
Wie bereits im Artikel Prüfunsgaufgaben und KI beschrieben, können und sollen KI-integrierende Aufgaben auch in projektartige Aufgaben eingebunden werden. Hierbei nutzen Schülerinnen und Schüler KI-Tools als Hilfsmittel für die Planung oder die Recherche, für Formulierungen oder für die Darstellung von Ergebnissen ergänzend zu anderen Medien (Open-Media). Dies kann im Rahmen von Portfolio-Arbeiten, bei der Erstellung von Erklärfilmen und Podcasts und/oder bei praktischen Leistungsnachweisen (z.B. bei einem Werkstück) erfolgen.
Auch hier sollten Schülerinnen und Schüler dazu verpflichtet werden, ihren Arbeitsprozess offenzulegen, sodass dieser in die Bewertung mitaufgenommen werden kann. Dazu eignen sich die aufgeführten Arbeitsaufträge mit ihren verschiedenen Operatoren ebenso wie die Auflistung der Anforderungen für die entsprechende Punkteanzahl. Der Vorgang ist darüber hinaus übertragbar auf verschiedene Fächer und verschiedene Prüfungssituationen.
Planungsinstrumente für Lehrkräfte
Zur Planung von Aufgaben können Lehrkräfte auf verschiedene Instrumente zugreifen. Erinnern möchte ich zum Beispiel an die um KI-Elemente erweiterte Prüfungsspinne (ursprünglich vom Institut für zeitgemäße Prüfungskultur), die im Beitrag Prüfungsaufgaben mit KI beschrieben ist. Ihr Einsatz ermöglicht es Lehrkräften, die KI-Integration an unterschiedlichen Punkten einer Aufgabe zu reflektieren (z.B. im Bereich Feedback, bei Materialien oder als Hilfsmittel).
Darüber hinaus lohnt sich der Blick auf die 2024 von Perkins und Kollegen erarbeitete AIAS-Skala. Die verschiedenen Integrationsstufen sind hilfreich, um KI in Aufgaben einzubinden und für die Bewertung aufzuschließen. Sinnvoll erscheint mir dieser Ansatz vor allem deswegen, weil er sowohl den Zeitpunkt als auch den zeitlichen Umfang der KI-Nutzung einordnet. Ich selbst mache beispielsweise vor allem dann positive Erfahrungen mit KI-integrierenden Aufgaben, wenn Schülerinnen und Schüler Chatbots punktuell und (teil-) aufgabenbezogen einsetzen. Die folgende Übersetzung stammt von Christine Stoltz, herzlichen Dank an dieser Stelle.
Nachbemerkung
Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine um KI-Aspekte weiterentwickelte Aufgaben- und Prüfungskultur umfasst sicher weit mehr Aspekte als hier beschrieben werden konnten. Zusammen mit Hendrik Haverkamp hatte ich die folgende Grafik erarbeitet, die geeignet ist, um unterschiedliche Dimensionen einer veränderten Prüfungskultur sichtbar zu machen und im eigenen Kollegium umfassend zu bearbeiten.
Als Lehrer, Schulentwickler und Fortbildner ist mir klar, dass diese Zusammenstellung erstmal als Diskussionsimpuls zu verstehen ist und die Umsetzung bzw. eine weitere Anpassung der Ideen noch Zeit brauchen wird. Die Forderungen nach KI-Einsatz im Unterricht und in Prüfungen und der damit verbundenen Professionalisierung sind schließlich mit einem immensen Lern- und Fortbildungsaufwand für alle Beteiligten verbunden. All das trifft auf ein ohnehin überlastetes System, was zu verschiedenen paradoxen Effekten führt/führen kann (vgl. hier). Dennoch erscheint es mit Blick auf die am 10.10.2024 veröffentlichten Handlungsempfehlungen der KMK geboten, mit der Ausgestaltung einer um KI erweiterten Aufgaben- und Bewertungskultur zu beginnen. Letztlich wird es darauf ankommen, was im Unterricht ankommt, nicht was in Absichtserklärungen und Konzeptpapieren steht. Dazu braucht es auf allen Ebenen mutige Entscheider*innen, die vorangehen, Spielräume ausloten und es ermöglichen, KI in die Fläche der Schullandschaft zu bringen. Mit Blick auf die Weiterentwicklung der Prüfungskultur trägt die KMK-Empfehlung diesen Appell in sich – packen wir es also an.
Lesetipps zur Weiterentwicklung der Prüfungskultur:
→ Sobel, M./Alpoguz, M. (2024): Upgrade: Leistungsmessung und Beurteilung. Wege in eine veränderte Prüfungskultur. Hannover: Friedrich Verlag GmbH.
→ Langela-Bickenbach, A./Dreier, R./Wampfler, P./Albrecht C. (Hrsg.) (2024): Wege zu einer zeitgemäßen Prüfungskultur: Grundlagen und Praxisbeispiele. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
→ Haverkamp, H. (2024): KI und Schule – Wie sich Prüfungsaufgaben jetzt verändern müssen. Deutsches Schulportal. URL: https://deutsches-schulportal.de/expertenstimmen/ki-und-schule-wie-sich-pruefungsaufgaben-jetzt-veraendern-muessen/ (zuletzt aufgerufen am 12.11.2024).
Veröffentlicht am 13. November 2024
Danke, habe mir erlaubt, deine Gedanken schon bei Vorträgen weiterzuverbreiten…
LG Björn
Danke für diesen Beitrag und Diskussionsimpuls, Joscha.
Auf jeden Fall werden wir hier alle sehr kreativ werden müssen und Zusammenarbeit sollte groß geschrieben werden, denn KI ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.