Links und Lesetipps zum Nachschlagen und Weitergeben
Die Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz in der Schule sind unübersichtlich und aufgrund zahlreicher Innovationen rasend schnell. Da übergeordnete Strategien vielerorts (noch) fehlen, greifen Lehrkräfte Sprachmodelle und neu erscheinende KI-Tools punktuell auf und testen sie meist experimentell in der Praxis. Die Motive dafür sind unterschiedlich; man kann aber wohl davon ausgehen, dass Neugier, Faszination an technischen Möglichkeiten, vielfältige Fortbildungsangebote und wohl auch der allgemeine KI-Hype treibende Faktoren sind.
Im Rahmen unserer Blogparade #KIBedenken haben Nele Hirsch und ich darauf aufmerksam gemacht, dass an vielen Stellen noch unklar ist, wann welche Tools in welcher Form lernförderlich im Unterricht eingesetzt werden können und was dabei zu beachten ist. Damit wollten wir zu bedenken geben, dass insbesondere Tool-Empfehlungen aufgrund fehlender Evidenz etwas mehr Skepsis vertragen könnten.
Erfreulicherweise erscheinen mittlerweile mehr und mehr Forschungsarbeiten, die die Möglichkeiten von KI im Kontext von Schule und Unterricht in den Blick nehmen. Je nach Schwerpunkt werden in ihnen die Potenziale von ChatGPT und co. für die Unterrichtsplanung, die Effizienz von KI-Feedback, die Aufgabenkultur oder auch die Notwendigkeit weiterer Fortbildungen für Lehrkräfte untersucht. Für Praktiker*innen sind die Ergebnisse interessant, um eigene Vermutungen und gemachte Erfahrungen zu prüfen bzw. Schlussfolgerungen für die eigene Praxis abzuleiten.
Aufruf zum Sammeln
Da die Studienlage ebenso unübersichtlich ist wie die rasant voranschreitenden KI-Entwicklungen, habe ich bei LinkedIn und bei Bluesky darum gebeten, mir beim Sammeln von bildungsbezogener KI-Forschung zu helfen. Dankenswerterweise sind zahlreiche Kolleginnen und Kollegen dem Aufruf gefolgt und haben Forschungsarbeiten und Publikationen von Stiftungen verlinkt. Im Anschluss daran habe ich die Links gesichtet und auf der folgenden TaskCards gesammelt. Die Zusammenstellung kann zur individuellen Fort- und Weiterbildung genutzt, und gerne auch weitergegeben werden.
Ich habe vor, die TaskCards nach und nach zu erweitern, wenn mir neue Studien begegnen und freue mich, wenn Sie/ihr mich auf weitere Publikationen aufmerksam macht!
Weblink zur TaskCards: https://www.taskcards.de/#/board/7d96a7c1-2c0d-4438-bbbf-3cfd942d1adb/view
Metaanalysen zum Einsatz von Chatbots
Zusätzlich zu den Einzelstudien sind bereits erste Metaanalysen zum Einsatz von Chatbots erschienen. So berichtet Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, in einem FAZ-Artikel vom 29. Februar, in der Kolumne „Der Faktor des Monats – Chatbots“ der PÄDAGOGIK 5/24 und in seinem Buch „ChatGPT als Heilsbringer?“ (Waxmann Verlag 2024) von vier Metastudien in den neuesten Datensätzen von John Hatties Visible Learning, in denen das Potenzial von Chatbots untersucht wurde (leider jeweils ohne Angabe einer genauen Datenquelle).
Mit einer Effektstärke von d = 0,62 (laut FAZ-Artikel; im PÄDAGOGIK-Artikel d = 0,64 und im Buch d = 0,67) attestiert Zierer Chatbots unter bestimmten Bedingungen die Chance zur Steigerung von Lernleistungen. Zum Beispiel lasse sich die Wirksamkeit vor allem bei älteren Schüler*innen nachweisen, in der Grundschule nähmen die Effekte ab. Zudem zeigten sich höhere Effekte nur bei komplexeren Fächern und wenn Chatbots didaktisch geplant eingesetzt würden und der Einsatz begleitet werde. Wenn Chatbots beiläufig eingesetzt würden, träten keine positiven Effekte auf. Domänenspezifisch programmierte Chatbots seien zudem wirksamer als allgemeine; eine zeitliche Begrenzung des Chatbot-Einsatzes wirke förderlich. Entgegen verschiedener Annahmen lasse sich eine Steigerung der Lernmotivation bei Schüler*innen empirisch nicht nachweisen.
Zierer weist abschließend darauf hin, dass größere Effekte im asiatischen Raum beobachtet werden konnten und die meisten Studien von dort stammten. Insofern könne es zu Verzerrungseffekten kommen. Er schlussfolgert sinngemäß: Chatbots seien weder gut noch schlecht, entscheidend seien die Unterrichtsqualität, die Lernatmosphäre, die didaktische Planung, passende Ziele und positive Beziehungen.
Es kommt darauf an
Wenig überraschend hängt der lernwirksame Einsatz von Chatbots an der sinnvollen didaktischen Einbettung, der entsprechenden unterrichtlichen Planung und an der Begleitung durch eine Lehrkraft. Ob unterrichtliche Ziele durch den Einsatz von Sprachmodellen besser erreichet werden können, steht und fällt folglich mit der grundsätzlichen Qualität des Unterrichts.
KI-Einsatz an sich ist also weder gut noch schlecht. Stattdessen sind Lehrkräfte und Fortbildner*innen aufgefordert, neue technische Möglichkeiten an bewährte didaktische Konzepte anzuknüpfen und KI-Tools in Überlegungen zum guten Unterricht (vgl. Basisdimensionen des Unterrichts oder die „7 C´s of Effective Teaching des MET-Projektes) einzubetten. Mit Blick auf Fortbildungen bestätigt das die Ansätze der #KIBedenken-Beiträge, Überlegungen zu Unterrichtsqualität, Lernen und Didaktik ins Zentrum des Diskurses zu rücken.
Quellen:
Zierer, K. (2024): Chatbots. Der Faktor des Monats. In: PÄDAGOGIK 5/24. Weinheim: Verlagsgruppe Beltz. S. 57.
Zierer, K. (2024): ChatGPT als Heilsbringer? Über Möglichkeiten und Grenzen von KI im Bildungsbereich. Münster: Waxmann Verlag.
Zierer, K. (2024): Selbst verschuldet unmündig durch Chatbots? In: FAZ-Online vom 29.2.2024. URL: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/die-wirkung-sprachgenerativer-techniken-auf-den-unterricht-19552054.html (zuletzt aufgerufen am 4.6.2024).
Veröffentlicht am 10. Juni 2024
Hallo,
ich habe diesen Artikel ins Quality Gate zum Thema: Modernisierung der Bildung, aufgenommen (https://marius-a-schulz.de/2024/07/17/quality-gate-modernisierung-der-bildung/ ). Ein Quality Gate ist eine Linksammlung zwecks Empfehlung.
Grund zur Aufnahme sind die Verweise auf aktuelle Studien zu KI.
Grüße,
Marius A. Schulz.
Hallo Kollege,
ich betreibe mit dem Wissensblog Zukunftshebel – Mensch, Wirtschaft, Technologie und Natur – einen analytischen eher wirtschaftlichen Blog, der versucht die Selbstkosten zu decken (Je mehr Leser, desto günstiger die Artikel). Bei mir gibt es zur Frage Was hilft dem Bildungswesen zwei analytische Artikel (https://marius-a-schulz.de/tag/was-hilft-dem-bildungswesen/ ) und einer davon (Schule 4.0 mit Demokratieunterricht; https://marius-a-schulz.de/2022/05/21/schule-4-0-mit-demokratieunterricht/ ) beschäftigt sich mit KI aus einer ganz anderen Perspektive. Diese Artikel möchte ich Ihnen und Ihren Lesern empfehlen: Kommen Sie doch mal vorbei!
Der Wissensblog Zukunftshebel ist weniger wissenschaftlich, sondern mehr ein Think Tank von mir als Wirtschaftsingenieur. Ich würde mich freuen, wenn Sie über eine Kooperation nachdenken würden, so kann zum Beispiel ein sogenanntes Quality Gate unsere Google- und Bing-Rankings bzw. unsere Sichtbarkeit in Suchmschinen erhöhen. Ein Beispiel für ein kostenloses Quality Gate findet sich hier: https://marius-a-schulz.de/2023/02/10/quality-gate-feminismus-und-unternehmen/ . Es wäre sehr Hilfreich, wenn Sie und andere Blogger*innen in einer Community gute Blogger*innen empfehlen würden!
Mit freundlichen Grüßen,
Marius A. Schulz.
Wir haben in einem kürzlich angefertigten Literatur-Review ebenfalls den Einsatz von KI mit Schwerpunkt Hochschullehre untersucht: https://fnma.at/content/download/2885/17699 (preprint des Projektberichts)
Auch dabei sind uns zwei Metaanalysen untergekommen. Da jedoch die Art des Einsatzes von KI im Unterricht sich sehr stark unterscheiden kann, die Ergebnisse aber gleichzeitig extrem von diesen Bedingungen abhängen, würde ich den Ergebnissen von Metaanalysen derzeit eher skeptisch gegenüberstehen.