Rezension zum gleichnamigen Buch von Paul Curzon und Peter W. McOwan
Algorithmen prägen unseren Alltag unter anderem beim Streamen, Surfen und Shoppen im Netz. Als Handlungsvorschrift liegen sie allen digitalen Anwendungen zugrunde und werden seit Jahren prominenter und in vielen Fällen auch mächtiger. Gleichzeitig dürfte einem großen Teil der Bevölkerung nicht klar sein, was ein Algorithmus genau ist und dass wir ihnen bei der Lösung von Problemen auch im nicht-digitalen Leben begegnen. Aus diesem Grund sollten Schüler*innen diese Phänomene nicht bloß im Informatik-Unterricht bearbeiten. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen steigt ein Mindestmaß an informatischer Bildung zur Allgemeinbildung, eigentlich sogar zur Kulturtechnik auf. Dabei geht es nicht nur um IT-Kenntnisse und das Wissen, was in den Maschinen um uns herum verbaut ist. Vielmehr geht es um eine neue Art zu denken – das Computational Thinking. Die Autoren Paul Curzon und Peter W. McOwan haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Denkweise herauszuarbeiten und an zahlreichen Beispielen zu illustrieren.
Eine neue Art zu denken
Zunächst wird anhand des sogenannten Locked-in-Syndroms und der Geschichte „Schmetterling und Taucherglocke“ veranschaulicht, wie ein Algorithmus dazu beitragen kann, ein Problem Schritt für Schritt zu lösen. In diesem Fall ging es um das Diktieren von Buchstaben durch eine Person, die nur noch über das Blinzeln als motorische Fähigkeit verfügt. Der betroffene Jean-Dominique Bauby blinzelte immer dann, wenn der richtige Buchstabe in einem nach Häufigkeit umsortierten Alphabet erreicht war. Mit dieser bizarren Diktiermethode gelang es, ein autobiographisches Werk entstehen zu lassen. Dem zugrunde lag nichts anderes als eine algorithmische Vorgehensweise.
Darüber hinaus werden in Computational Thinking Zaubertricks mit Karten, Logikrätsel sowie Phänomene aus der Mathematik in ihre Handlungsschritte zerlegt und nachvollzogen. Alle Beispiele sind unterhaltsam und zeigen die Grundelemente der algorithmischen Denkweise auf: Die Zerlegung eines Problems in Teilschritte, das Aufspüren von Mustern sowie das Abstrahieren, um mit Distanz neue Lösungsmöglichkeiten zu erschließen. Besonders interessant sind die Kapitel zum Bau eines eigenen Chat-Bots, mit denen in Grundzügen verstanden werden kann, was künstliche Intelligenz genau ist. Darüber hinaus finden sich Ausflüge in die Magie des Gedankenlesens sowie Beispiele für das Computational Thinking im Alltag.
Die Autoren stellen Computational Thinking als Herzstück des Programmierens dar und betonen, dass der gleiche Denkansatz zum Lösen von Problemen im nicht computerisierten Teil des Lebens nötig ist. Mit den Prinzipien der Heuristik und der Verallgemeinerung sind typisch wissenschaftliche Denkansätze beschrieben, die weit über das reine Programmieren hinausgehen. Computational Thinking zielt damit auf die Schulung eines allgemein nützlichen problemlösenden Denkens, das Kreativität und analytische Fähigkeiten gleichermaßen miteinbezieht, und damit auf wesentliche Kompetenzen für das 21. Jahrhundert. Dabei betonen die Autoren immer wieder, dass auch beim Lösen digitaler Probleme nicht das Verstehen der Maschine, sondern das Verstehen des Menschen im Vordergrund stehen muss.
Für wen ist dieses Buch geeignet?
Dieses Buch ist für alle geeignet, die Interesse an der „Denkweise“ digitaler Technik haben und im Kern verstehen wollen, welcher Logik Algorithmen folgen. Darüber hinaus ist Computational Thinking für Lehrende und Schüler*innen der Informatik interessant. Curzon und McOwan liefern Ideen für mindestens ein Schuljahr Informatikunterricht sowie Anregungen für Zauber- oder IT-AG´s. Die Beispiele sind dabei didaktisch noch nicht aufbereitet, können aber als Unterrichtsideen in allen Jahrgangsstufen eingesetzt werden. Da Medienkompetenz allerdings mehr denn je eine Querschnittsaufgabe aller Fachbereiche ist, dürfen sich auch andere Lehrkräfte angesprochen fühlen. Rätselfreunde, Mathematiker*innen und Zauberfans dürften aber auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen.
Veröffentlicht am 7. Juni 2020
Curzon, Paul/McOwan, Peter W. (2018): Computational Thinking. Die Welt des algorithmischen Denkens – in Spielen, Zaubertricks und Rätseln. Springer-Verlag: Berlin.