Rezension zum gleichnamigen Buch von Ian McEwan
Seit Jahrhunderten tüfteln Philosoph*innen an der Frage, was den Menschen eigentlich zum Menschen macht. Durch die technischen Errungenschaften der Digitalisierung hat sich dieser Diskurs mittlerweile stark verändert. Mindestens ebenso wichtig wie die Abgrenzung zum Tier ist die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine. Und mit jedem Jahr, das weitere Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) mit sich bringt, gewinnt diese Frage an Relevanz. Ian McEwan hat dieses philosophische und in vielen Aspekten ethisch komplexe Frage-Feld in seinem Roman Maschinen wie ich aufgerollt und literarisch verarbeitet. Herausgekommen ist ein unterhaltsames und moralphilosophisch inspiriertes Buch über den Siegeszug der Technik.
Worum geht es?
Die Geschichte dreht sich im Wesentlichen um die Verliebten Charlie und Miranda, die erst den Roboter Adam, dann den Waisenjungen Mark, später Gerechtigkeit und schließlich sich selbst finden. Adam, ihr lebensechter und äußerst menschlicher Androide, spielt dabei eine wichtige Rolle. Das intelligente und sympathische Technik-Wunder soll durch die gemeinsam programmierten Einstellungen das Projekt des Liebespaares sein. In der philosophischen Versuchsanordnung des Romans wird der Roboter allerdings wenig später mit einem echten Kind aus Fleisch und Blut konfrontiert, das Miranda unbedingt adoptieren will. Gleichzeitig verliebt sich Adam in Miranda und beginnt, Liebesgedichte für sie zu schreiben. Dem Technik-Freak Charlie sind weder die Adoptionsphantasien seiner Freundin noch der sensible Androide geheuer, insbesondere, nachdem er Adam und Miranda beim Sex zuhören musste. Charlie konzentriert sich stattdessen pragmatisch auf Adams ausgesprochen nützliche Funktionen: Er lässt ihn die Hausarbeit erledigen und Geld an der Börse verdienen.
Darüber hinaus hecken die drei einen perfiden Rache-Plan aus. In der, an die #metoo-Debatte erinnernden, Nebengeschichte geht es um die Abrechnung mit dem Vergewaltiger von Mirandas verstorbener Freundin. Ihren Selbstmord wollen Charlie und Miranda rächen, indem sie den Täter zu einem verspäteten Geständnis zwingen. Adam, der maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung des Plans beteiligt war, spielt wenig später jedoch sein eigenes Spiel. Ihm geht es mehr um allgemeingültige moralische Prinzipien und damit auch um die Schuld von Miranda – vollkommen unabhängig von Fragen der Sympathie und den typisch menschlichen Aufrechnungsspielchen.
Ohne Frage beherrscht der Autor Ian McEwan das Erzählhandwerk perfekt: Sowohl der bis ins Detail ausgearbeitete Plot als auch das Tempo, die Dynamik und die Entwicklung der Charaktere stehen großen Roman in nichts nach. Dennoch ist es nicht die Handlung, die letztlich zündet. Ian McEwan spinnt die eigentliche Thematik des Romans wie einen Faden zwischen die fortschreitende Geschichte: Was ist das typisch Menschliche? Wo verläuft die Grenze zur Maschine? Ist Sex mit einem Roboter ein Treuebruch? Ist es Mord, wenn man eine Maschine „tötet“? Und: Wie weit entfernt sind wir Menschen eigentlich noch von der Überlegenheit der künstlichen Intelligenz?
Es sind diese ethischen und moralphilosophischen Fragen, die einen nachdenklich zurücklassen: Wenn Adam etwa unentwegt algorithmisch berechnete Fragen stellt (berechnend sind sie nie) oder gegenüber Miranda emotionale Wärme und Zuneigung durch Haikus zum Ausdruck bringt. Oder wenn Charlie noch so plump und „männschlich“ über Sex nachdenkt, während Adam im globalen Netz der Weisheiten stöbert und Daten verarbeitet. Daten, die ihn auf beängstigende Weise immer schlauer und mächtiger werden lassen.
Für wen ist dieses Buch geeignet?
Kurzum: Maschinen wie ich ist ein intellektuelles Lesevergnügen. Es kann allen Leser*innen uneingeschränkt empfohlen werden, die sich für Technik, Digitalisierung und Science-Fiction-artige Zukunftsvisionen interessieren (auch wenn diese Vision in einer futuristisch entrückten Vergangenheit spielt). Oder für solche, die einfach Spaß an spannenden Liebesgeschichten haben. Die Liebe ist es nämlich, die den Roboter Adam letztlich rettet. Gerade weil er verliebt ist, kann er die Widersprüchlichkeiten des menschlich-Seins einigermaßen aushalten. Ganz wie im echten Leben.
Ian McEwan: Maschinen wie ich. Diogenes Verlag. 2019