Eine Rezension zum gleichnamigen Buch von Heinz-Peter Meidinger
Selten stand die Bildungspolitik derart im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung wie seit Beginn der Corona-Krise. Den Kultusministerien kommt dabei die (zugegeben) schwere Aufgabe eines klugen schulischen Krisenmanagements zu. Entsprechend hart fällt die Kritik aus, wenn Pläne wieder nur kurzfristig getroffen werden, Lernplattformen nicht ausreichend funktionieren und Schulen nach einem Jahr Pandemie immer noch nicht über Lüftungsanlagen, ausreichend Masken und entsprechende Breitbandverbindungen verfügen. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des deutschen Lehrer*innenverbandes, stimmt in diese Kritik ein und spricht in seiner aktuellen Veröffentlichung sogar von 10 Todsünden der Schulpolitik.
Worum geht es?
Passend zum Buchtitel gibt es 10 Kapitel, in denen jeweils eine Todsünde dargestellt wird. Darunter finden sich u.a. die Überforderung der Schule als gesellschaftlicher Reparaturbetrieb, das Experimentieren mit Reformen (Gesamtschule), der verhängnisvolle Einfluss des Neoliberalismus (G8), die mangelnde Vergleichbarkeit zwischen den Ländern, die unzureichende Lehrer*innenversorgung und das Totalversagen während der Corona-Pandemie. Zum Schluss gibt es ein paar recht allgemein und kurz gehaltene Vorschläge für eine bessere Bildungspolitik.
Für wen ist dieses Buch geeignet?
Meidingers Streitschrift ist mit 126 Seiten in kleinem Format von überschaubarer Länge und liest sich als längerer Meinungsbeitrag recht flott. Seine Sprache ist engagiert, von klarer Kante und zeugt von echtem Ärger. Besonders deutlich wird das, wenn er die vermeintliche Gesamtschulideologie des linken Parteienspektrums abwatscht. Dabei betont er gerne und etwas bissig, dass Ideologie in Bildungsdebatten nichts zu suchen hat und merkt freilich nicht, dass er selbst aus der ideologischen Perspektive der auf Konkurrenz und Exzellenz setzenden Leistungsgesellschaft heraus argumentiert. Das zeigt sich vor allem, als es um die Vernachlässigung des Leistungsprinzips und um die Niveauabsenkung bei Abschlüssen geht. Der Autor sorgt sich vor um das Gymnasium und den Wert des Abiturs und es verwundert nicht, dass Grundschulaspekte, Herausforderungen der Haupt- und Förderschulen sowie grundlegende Fragen der Bildungsgerechtigkeit in seiner Analyse nur sehr begrenzt eine Rolle spielen.
In vielen anderen Punkten kann ich der Kritik Meidingers jedoch zustimmen und seine Streitschrift bildungspolitisch interessierten Leser*innen empfehlen. Dem Bildungssystem fehlt es tatsächlich an Reform-Ruhe, an einer sinnvollen Abstimmung über die Ländergrenzen hinweg und an mehr echter Partizipation von Akteur*innen aus der Schulfamilie. Vielleicht profitiert das Bildungssystem aber in dem Sinne von Corona, dass die derzeitige Aufmerksamkeit die Pandemie überdauert und Bildungsministerien auch wieder für politische Schwergewichte interessant werden. Bis das allerdings soweit ist, müssen wir uns mit Meidingers Sündenanalyse begnügen und hoffen, dass die Kritik Gehör findet.
Meidinger, H.-P. (2021): Die 10 Todsünden der Schulpolitik. Eine Streitschrift. München: Claudius Verlag.
Veröffentlicht am 3. März 2021
Personalmangel ist eine Fabel. Nach der Bundesstatistik in Wiesbaden gibt es in Deutschland für je 13 Schüler einen Lehrer. Leider schaffen die es zu selten in die Schule. Es gibt nur einen Weg gegen die Schulmisere: alle Lehrer in die Schule; ganztägig und ganzjährig, wie andere Angestellte auch
s a Bildungspolitik-niedersachsen.de