Anregungen zur digitalen Transformation an Schulen
Was lange währt, wird endlich gut. Könnte man meinen. Deutsche Schulen hinken im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung (immer noch) enorm hinterher. Während Alltag und Industrie von Fortschritten der digitalen Technik durchdrungen sind, wird in Schulen an vielen Stellen so gearbeitet, wie es Jahrzehnte funktioniert hat: Mit Tafel, Arbeitsblättern und Frontalunterricht. Das wird der Art und Weise, wie sich Lernen im 21. Jahrhundert verändert hat und noch verändern wird, nicht gerecht. Für Schulen lautet deshalb die aktuelle Herausforderung, Unterricht unter den Bedingungen der Digitalität neu zu entwickeln. Damit das gelingt, müssen alle Bereiche von Schule reflektiert und – idealerweise – ein Gesamtkonzept für die Digitalisierung erstellt werden. Daran ändert auch der Digitalpakt nichts. Die Herausforderung lautet: Digitale Schulentwicklung.
Zuerst gilt es, einen Überblick zu gewinnen: Digitale Potenziale sind in allen Bereichen von Schule zu finden. Sie sind schwierig zu greifen und können nicht als singuläres Feld bearbeitet werden (wie etwa die Entwicklung einer Pausenordnung). Aus meiner Sicht macht es deshalb mehr Sinn, von Perspektiven digitaler Schulentwicklung zu sprechen. Es ist die folgende Frage, die sich Schulen stellen sollten: Unter welcher Perspektive kann Potenzial durch digitale Möglichkeiten freigelegt werden.
Der Prozess, der dann beginnt, ist einerseits eigenverantwortlich und findet unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen vor Ort statt. Andererseits gibt es Einflüsse von außen, die beachtet werden müssen. Alle Perspektiven (Verwaltung, Unterricht, Schüler*innen, Eltern und Kollegium) werden von der Schulleitung zusammen gehalten.
Besonders greifbar erscheint das digitale Potenzial unter der Perspektive der Verwaltung. Hier wird auch schon lange digital gearbeitet und der Einsatz von Hard- und Software ist fest im Alltag von Schule verankert (man denke an die beliebten Programme zur Schulverwaltung). Darüber hinaus kann Verwaltung nicht bloß im Sekretariat, sondern auch für alle Lehrkräfte mit bspw. dem “Schulmanager” effektiv organisiert werden. Fehlt eine entsprechende Onlineverwaltung kann auf durchdachte Anwendungen wie die “Klassenmappe” zurückgegriffen werden. Und zuletzt darf auch der Hinweis auf “Mebis” (als bayerisches Angebot) und “Office 365” nicht fehlen, die hier stellvertretend für alle Plattformen stehen.
Die digitale Verwaltung als “reine” Datenverarbeitung erscheint deshalb so sinnvoll, weil hier die Stärke des digitalen Arbeitens besonders sichtbar ist. Herausfordernder wird der Blick auf die nächste Perspektive.
Unterricht digital zu verändern ist zwar derzeit schick und gewissermaßen in Mode, doch greifen die meisten Entwicklungen zu kurz. Ein Klassenzimmer aus der Lehrer*innensicht zu digitalisieren, ist zwar modern, zementiert aber letztlich nur das Lernen, das wir schon seit Jahrhunderten kennen. Interessanter wird der Aspekt der digitalen Schüler*innengeräte. Erst durch deren Einsatz (BYOD, iPad-Lösungen, Notebooks etc.) kann Lernen in der Schule interaktiver und vernetzter werden und dadurch eine neue Gestalt einnehmen. Diese neue Gestalt ist es letztlich, die neue Ziele erreichbar macht, die Strukturen von Raum und Zeit auflöst und Kooperation, Kollaboration, Kreativität und Individualisierung auf eine neue Stufe hebt.
Gerade vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen eilt es gewissermaßen, Lernen in der Schule von der reinen Wissensvermittlung hin zur Anbahnung von Kompetenzen, speziell zu den Kompetenzen des 21. Jahrhunderts weiterzuentwickeln. Schließlich weiß niemand, wie sich die Arbeitswelt mitsamt ihren Berufsbildern verändern wird. Die Kompetenzen, die gebraucht werden, lauten nach dem 4K Modell: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Grundsätzlich sind das zwar keine unterrichtlichen Dimensionen, die nicht auch ohne digitale Geräte angebahnt werden können. Dennoch ermöglicht der Einsatz digitaler Gerät hier ein enormes Potenzial.
Zugegeben ist das leichter gesagt als getan, den eigenen Unterricht digital und nach den Maßstäben der 4K auszurichten. Vor allem, wenn einem Gewohnheit, die eigene Ausbildung und das eigene Material “im Weg” stehen. Deshalb braucht es Inspiration und Fortbildung und vor allem ein Modus, mit dem Veränderungsprozesse gemeinsam begangen werden können. Dazu benötigen Schulen attraktive Fortbildungskonzepte.
Wer Unterricht verändern will, braucht Kolleg*innen, die erstens von digitalen Potenzialen überzeugt oder zumindest neugierig darauf sind und zweitens eine Vorstellung haben, was man überhaupt tun kann.
In der Regel kommt die Überzeugung mit der Erfahrung. Aus diesem Grund ist Fortbildung das wichtigste Instrument, um Unterricht in der Breite zu verändern. Dazu bedarf es frischer Fortbildungskonzepte, die praxisnah und auf Augenhöhe stattfinden. Neben den informellen Netzwerken (bspw. das #Twitterlehrerzimmer) bieten sich hier insbesondere Mikro-SchiLf-Reihen an der eigenen Schule an. Idealerweise auch aus dem eigenen Kollegium, in kleinen Einheiten und in hoher Regelmäßigkeit. Aber auch größere Veranstaltungen (auch überregional) wie ein Barcamp ermöglichen es, schnell in den Austausch zu kommen und sich inspirieren zu lassen. Wichtiger noch als nur darüber zu reden erscheint mir dann das Machen. Egal, ob man anfangs Fehler macht oder es mal daneben geht (Stichwort Fehlerkultur – auch im Umgang mit sich selbst und den eigenen Ansprüchen).
Damit die Bearbeitung aller Perspektiven (Verwaltung, Geräte, Unterricht, Fortbildung etc.) eine Struktur erhält, braucht es eine Stelle, an der alle Entwicklungen zusammenlaufen. Diese Stelle ist die Schulleitung. Ihm/Ihr kommt als Transformationsmanager*in eine besondere Führungsaufgabe und damit große Verantwortung zu. Schulleitungen können den “digitalen Stein” ins Rollen bringen, die Freilegung digitaler Potenziale vorantreiben oder aber auch alles behindern. Und leider stelle ich immer wieder fest, dass vielen Schulleitungen diese Verantwortung (noch) nicht bewusst ist. Deshalb muss sich hier auch im Bewusstsein der Führungskräfte etwas verändern.
Es braucht Schulleitungen (und Führungspersönlichkeiten auf der administrativen Ebene des Schulsystems), die ihren Führungsstil den Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anpassen. Wichtiger als Hierarchien und zementierte Machtstrukturen sind Konzepte der Verantwortung, der Kooperation und der Beziehung. Leadership an Schulen ist aktuell nichts anderes als Change Management und das kann niemand alleine und von oben anordnen. Um nachhaltige Entwicklungen anzustoßen und zu gestalten, braucht es die Weisheit der Vielen, visionäre mutige Konzepte und die Bereitschaft zur Vernetzung.
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