Eine Rezension zum gleichnamigen Buch von Olaf-Axel Burow
Die Corona-Pandemie hat im deutschen Bildungssystem ohne Frage einen Innovationsschub ausgelöst. Während im März 2020 viele Schulen mit dem digitalen Notfall-Fernunterricht überfordert waren, kann sich der Online-Unterricht Anfang 2021 schon eher sehen lassen. Neben der Einrichtung von Lernplattformen und der Anschaffung von Geräten wurden zahlreiche Fortbildungen organisiert und besucht. Dennoch kann nicht davon gesprochen werden, dass Bildungsangebote in der Breite gleichwertig in den digitalen Raum übersetzt (und entsprechend modifiziert) werden konnten – das Bildungssystem ist an vielen Stellen noch immer nicht richtig krisenfest. Der Professor für Allgemeine Pädagogik Olaf-Axel Burow schlägt in seinem neuen Buch „Die Corona-Chance“ nun sieben Schritte vor, wie Schulen durch die Orientierung an Resilienzkonzepten krisensicher werden könn(t)en. Dabei sieht er die Pandemie in erster Linie als Chance, Schulen zu zukunftssicheren Lernorten umzubauen.
Aufbau und Inhalte
Der Autor unterteilt sein Buch im Wesentlichen in sieben Schritte, die er auf dem Weg zur „Resilienten Schule“ als notwendig erachtet. Hier finden sich Anregungen zur schulischen Bestimmung einer Zukunftsvision, Hinweise zur digitalen Infrastruktur, Anregungen zur Übersetzung des Unterrichts in zeitgemäße digitale Formate und zur systematischen Fortbildung der Lehrkräfte sowie der entsprechenden Evaluation. Dabei macht Burow deutlich, dass diese Schritte keineswegs neu sind, sondern von Pionierschulen wie z.B. der Alemannenschule in Wutöschingen bereits durchlaufen wurden. Demnach lassen sich die Tipps und Hinweise des Autors als Erfahrungswerte erfolgreicher Beispiel-Schulen lesen, ähnlich wie das auch im Buch „Digital gestütztes Lernen“ der Fall war. Darüber hinaus diskutiert der Autor Schulleitungen als „Future-Designer“, die Schule und Unterricht vor den gegenwärtigen Herausforderungen nicht bloß weiterzuführen, sondern immer wieder neu denken und entsprechend gestalten. In Kapitel sechs folgt ein Resilienz-Check, mit dem Burow Testkriterien anbietet, um die Krisenfestigkeit der eigenen Schule zu überprüfen. Den Abschluss bildet ein ausgesprochen lesenswertes Interview mit Stefan Ruppaner, dem Schulleiter der Alemannenschule. Dieser berichtet, wie es ihm und seiner Schule gelingen konnte, das zu werden, was sie heute sind: Eine innovativ arbeitende Gemeinschaftsschule – mit einem engagierten Kollegium und Schüler*innen, die gerne und erfolgreich lernen.
Für wen ist dieses Buch geeignet?
Das Buch „Die Corona-Chance“ von Olaf-Axel Burow beschreibt in einer relativen engen Perspektive viele richtige und wichtige Aspekte auf dem Weg zu einer zukunftssicheren Schule. Dem Autor ist es dabei gelungen, wesentliche Punkte rund um Fragen des digitalen Wandels, einer visionären Führungskultur und einer zeitgemäßen Unterrichts-Infrastruktur zu benennen. Gleichwohl enthalten einige Kapitel letztlich die gleichen Schulentwicklungsbotschaften, die der Autor (und auch viele andere) schon seit Jahren zu platzieren versuchen. Es kam mir beim Lesen so vor, als würde Corona ein Stück weit instrumentalisiert, um die Dringlichkeit eigener Appelle noch einmal zu untermalen – ein Effekt, den man auch bei anderen Themen beobachten kann.
Darüber hinaus blendet Burow, der gerne auf seine umfangreichen Erfahrungen als Schul- und Organisationsentwickler verweist, alle Aspekte der Bildungsdiskussionen der letzten Monate aus, die nicht zu seiner wolkigen und zukunftsschwärmerischen Change-Perspektive passen. Zu nennen wären ganz reale und unschöne Bildungsungerechtigkeiten, überlastete Kollegien, finanzielle Engpässe von Kommunen sowie bildungspolitische Schlingerkurse ohne Konzept und mit wenig klaren Vorgaben. Mir fehlte der solidarische und differenzierte Blick auf die Schulen, die unter schwierigen Bedingungen große “Resilienz-Leistungen” vollbracht haben und noch immer vollbringen – und denen es nicht an „Change-Codes“ mangelt, sondern an ganz elementaren Dingen: An Zeit, an Personal, an finanziellen Ressourcen und an Wertschätzung.
Visionen und Vorbilder braucht es freilich trotzdem. Und aus diesem Grund sollen gegen Burows sieben Schritte auf dem Weg zur „Resilienten Schule“ auch keine inhaltlichen Einwände erhoben werden. Meine Kritik richtet sich eher an das, was der Autor in seiner Darstellung wissentlich oder unbeabsichtigt links liegen lässt. Interessierte Leser*innen, die einen differenzierten Blick auf das Schulsystem der Gegenwart suchen, sollten daher an anderer Stelle suchen. Schulleitungen, Führungskräfte und Kolleg*innen, die in Schulentwicklungsprozesse eingebunden sind, könnten einen Blick riskieren. Gute Ideen, welche Felder in der eigenen Schule auf dem Weg Richtung Zukunft bearbeitet werden müssten, finden sich allemal.
Veröffentlicht am 20. Januar 2021
Burow, O.-A. (2021): Die Corona-Chance: Durch sieben Schritte zur „Resilienten Schule“. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.