Eine Rezension zum gleichnamigen Buch von Bob Blume
Mit dem Einzug digitaler Medien in der Schule haben sich die Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung vervielfacht. Laptops, Tablets und/oder Smartphones inklusive diverser Apps kommen an vielen Schulen schon recht regelmäßig zum Einsatz und auch in der Fortbildungslandschaft zeigt sich, wie omnipräsent die Digitalisierung im Bildungswesen ist. Gleichwohl wird Unterricht nicht allein dadurch zeitgemäß (geschweige denn besser), dass digitale Tools verwendet werden. Entscheidend ist viel mehr, auf welche Art und Weise Schüler*innen welche Inhalte lernen sollen (und wollen), die für das Leben im 21. Jahrhundert von Belang sind. Und welche Möglichkeiten die Kultur der Digitalität bietet, um diesen Unterricht medienspezifisch zu erweitern oder sogar grundlegend neu zu denken. Was in dieser allgemeinen Form für alle Fächer gilt, hat der Gymnasiallehrer und Blogger Bob Blume in seinem neuen Buch „Deutschunterricht digital“ für das Fach Deutsch durchdekliniert. Herausgekommen ist eine didaktische Neuvermessung des digital erweiterten Deutschunterrichts mit vielen Anregungen für die Praxis.
Worum geht es?
Auf rund 130 Seiten entfaltet der auch als Netzlehrer bekannte Autor einen Entwurf des digital erweiterten Deutschunterrichts. Dabei geht es nicht vorrangig um die Auflistung digitaler Tools, sondern eher um eine fachdidaktische Analyse des Deutschunterrichts aus dem Blickwinkel des Digitalen. Entsprechend werden im ersten Drittel des Buches grundlegende Begrifflichkeiten geklärt (u.a. Leitmedienwechsel, Kultur der Digitalität, Zeitgemäße Bildung, Symmedialität) sowie verschiedene Modelle skizziert (SAMR, 4K etc.). Danach arbeitet der Autor heraus, wie sich die Strukturmerkmale des Deutschunterrichts durch das Digitale verändern und stellt am Ende des theoretischen Teils 10 Thesen zum digital erweiterten Deutschunterricht vor. Blume macht darin deutlich, dass ein digital erweiterter Deutschunterricht anders strukturiert werden muss als nicht-digitaler und digitale Medien als neuartige Umgebung für ein völlig neues Lernen genutzt werden können.
Wie dieses „neue Lernen“ aussehen kann, reflektiert der Autor mit verschiedenen didaktischen Konzepten anhand von konkreten Unterrichtseinheiten. Während einfache Mentimeter-Abfragen keine grundlegende Veränderung des Unterrichts verlangen (additives Setting), ermöglichen kollaborative Etherpads in Kombination mit Social-Media-Recherchen eine echte Erweiterung des Unterrichts (integratives Setting). Mit der Erstellung eines eigenen Video-Kommentars als Reaktion auf Rezos „Zerstörung der CDU“ erfährt der symmediale Deutschunterricht eine Neuorientierung, die ohne digitale Elemente nicht möglich wäre (disruptives Setting).
Im letzten Drittel des Buches zeigt der Autor schließlich anhand zahlreicher Beispiele, wie die jeweilige Veränderungstiefe des Deutschunterrichts konkret aussehen kann. Anhand innovativer Unterrichtsideen (u.a. Radioreportage zu „Jugend ohne Gott“, Schreibtraining mit Hilfe von Blogs oder Memes als neue Textform) kann nachvollzogen werden, wie digitale Elemente in den Unterricht integriert und in verschiedenen Zusammenhängen rekombiniert werden können. Die vorgestellten Beispiele bieten zudem das Potential, in ihrem Aufbau auch auf andere Unterrichtsinhalte übertragbar zu sein. Passend dazu werden immer auch Alternativen und weiterführende digitale Tools erwähnt.
Zu guter Letzt führt der Autor im Schlusskapitel verschiedene Unterrichtstechniken und Methoden auf und zeigt, wie diese mit digitalen Elementen umgesetzt werden können (z.B. Lesestopp, Trendsurfen, Podcasts erstellen oder digitale Lesejournale).
Für wen ist dieses Buch geeignet?
Blume zeigt in „Deutschunterricht digital“, wie reflektiertes Lernen vor dem Hintergrund des digitalen Wandels im Deutschunterricht möglich ist und lässt uns Leser*innen an seinen Erfahrungen und didaktischen Experimenten teilhaben. Als Lehrer und Autor geht es ihm um Erweiterung der Möglichkeiten, um Anschlussfähigkeit und letztlich darum, dass Kolleg*innen angeregt werden, sich mit der Kultur der Digitalität und den veränderten Bedingungen für Lehren und Lernen auseinanderzusetzen.
Beim Lesen hatte ich bisweilen den Eindruck, dass etwas viel in das Büchlein sollte und deshalb manches durcheinander geht (z.B. bei zahlreichen angerissenen Methoden und – dann doch relativ vielen – digitalen Tools). Zudem hätte ich mir einige Unterrichtsbeispiele konkreter und als Schritt-für-Schritt-Anleitung für einzelne Stunden gewünscht und nicht bloß im Sequenzüberblick. Und ich hätte es interessant gefunden, die Analyse-Schablone der didaktischen Settings (additiv, integrativ und disruptiv) auch bei der Einordnung aller anderen Beispiele, Methoden und Tools prominenter wiederzufinden. Aus meiner Sicht wäre deshalb an einigen Stellen „weniger“ mehr gewesen, auch wenn der Autor dann vom Anspruch hätte ablassen müssen, wirklich viele Winkel des digital erweiterten Deutschunterrichts auszuleuchten.
Dennoch: Lehrkräfte, Referendar*innen und Seminarleiter*innen, die (Deutsch-)Unterricht neu denken wollen und Anregungen suchen, können bedenkenlos zugreifen. Zudem bietet „Deutschunterricht digital“ auch jenseits didaktischer Fragen eine Fülle an Hinweisen zum Verstehen des digitalen Wandels in der Schule. So wie ich den Autor kennenlernen durfte, geht es ihm implizit wohl immer auch um das eigene Leben und Lernen, um das eigene berufliche Selbstverständnis als Lehrkraft und um eine (kulturpragmatische) Offenheit im Umgang mit der digitalen Welt. In diesem Sinne ist „Deutschunterricht digital“ auf der Höhe der Zeit und bietet in vielerlei Hinsicht eine Fülle von Anregungen. Klare Leseempfehlung!
Blume, B. (2022): Deutschunterricht digital. Vom didaktischen Rahmen zur praktischen Umsetzung. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
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Veröffentlicht am 13. April 2022