Eine Analyse der destruktiven Wirkung von Disziplinproblemen in der Schule
Ich halte seit etwa einem Jahrzehnt Fortbildungen und Seminare für Lehramtsstudierende, für Referendar*innen und für Lehrkräfte. Die meisten Themen kreisen um Schul- und Unterrichtsentwicklung, häufig in Kombination mit digitalen Medien. Neben Zuspruch und positivem Feedback stoßen meine Vorschläge manchmal auch auf Abwehr. Häufig höre ich dabei den folgenden Satz: „Deine Ideen sind ja gut, aber mit unseren Schüler*innen kann ich das nicht umsetzen“.
Dagegen habe ich mich innerlich immer gewehrt. Vielleicht, weil ich es manchmal nicht wahrhaben wollte. Vielleicht, weil ich mich selbst als Möglichmacher verstehe und präventive Entschuldigungen nicht gelten lassen möchte. Letztlich, so dachte ich mir, kommt es doch immer auf die Lehrkraft an, und in meinem Unterricht geht es doch auch, trotz schwieriger Schüler*innen.
Aufgrund aktueller Erfahrungen muss ich diese Einschätzung nun in Teilen revidieren. In meinem Umfeld häufen sich Schüler*innengruppen, bei denen ein methodisch anspruchsvoller Unterricht nicht möglich ist. Gruppen, in denen es einzig und allein darum geht, dass überhaupt etwas gelernt wird und dabei kein Chaos ausbricht. Das ist bitter mit anzusehen und trotzdem das tägliche Geschäft von tausenden Lehrkräften. Und es entfaltet eine destruktive Wirkung, die sich auf die Gesundheit einzelner und in der Folge auch auf die Schulentwicklungsprozesse einer ganzen Schule auswirken kann.
Einigermaßen eskalationsfrei durch den Tag kommen
Im Folgenden möchte ich von Situationen verschiedener Kolleg*innen in ihren Klassen berichten. Die Personen bleiben selbstverständlich anonym, ihre Dienststellen werden nicht genannt und sie haben ihr Einverständnis signalisiert, dass ich ihre Erfahrungen verarbeiten darf. Ihre Fälle eint, dass alle Personen an Haupt-, Mittel- bzw. Sekundarschulen tätig sind und in diesem Schuljahr derart massiv mit Disziplinproblemen von Schüler*innen zu kämpfen haben, dass in den ersten Monaten des Schuljahres kein normales Unterrichten möglich war bzw. ist. Alle Personen sind studierte Lehrkräfte und mit mehreren Unterrichtsstunden pro Woche und verschiedenen Fächern in ihren Klassen. Dennoch können sie nicht mal ansatzweise so unterrichten, wie sie es gerne tun würden. In ihrem Alltag geht es aktuell nicht um die Frage, wie Lernprozesse methodisch anspruchsvoll, abwechslungsreich und vielleicht sogar innovativ gestaltet werden können. Es geht vielmehr darum, Unterricht so zu strukturieren, damit die Klasse (und man selbst) einigermaßen eskalationsfrei durch den Tag kommt.
Bei Wutanfällen werden Tische umgetreten
In der Praxis äußert sich das darin, dass unheimlich viel Kraft aufgewendet werden muss, damit überhaupt eine Arbeitsatmosphäre hergestellt werden kann. In den Unterrichtsstunden herrscht viel Unruhe und auch nach mehreren Wochen gelingt es vielen Schüler*innen aus eigener Kraft nicht, sich an die vereinbarten Klassenregeln zu halten. Sobald der lehrer*innenzentrierte Unterricht zugunsten von Partner- oder Gruppenarbeiten verändert wird, entsteht derart viel Chaos, dass kaum mehr Ergebnisse produziert werden können. Dass Schüler*innen aufstehen, ständig reinrufen, Gegenstände durch die Klasse fliegen oder Arbeitsaufträge verweigert werden, ist beinahe täglich zu beobachten. Besonders heikel wird es, wenn Schüler*innen sich dann auch noch unerlaubt aus dem Unterricht entfernen, sich gegenseitig bedrohen, verletzen oder absichtlich zum Weinen bringen. Als wäre das noch nicht genug, werden bei Wutanfällen Tische umgetreten und Lehrkräfte mit Selbstverletzungsdrohungen unter Druck gesetzt. Einmal flog sogar ein Stuhl in Richtung einer Lehrkraft. In der Pause gehen die Konflikte unter den Schüler*innen entsprechend weiter: In den Gängen und auf der Treppe wird geschubst, in der Pause bedroht und getreten. Täglich müssen Streitigkeiten geschlichtet und weinende Schüler*innen getröstet werden. Eine Lehrkraft berichtete sogar davon, wie sie in diesem Schuljahr gebissen und gegen das Schienbein getreten wurde – so stark, dass sie die Verletzung verbinden musste.
Leistungsunterschiede verschlimmern die Situation
Neben diesen Verhaltensweisen sind in allen Klassen gravierende Unterschiede im Leistungsstand festzustellen. Die Spanne reicht so weit, dass manche Schüler*innen den Stoff der jeweiligen Jahrgangsstufe ohne Probleme bewältigen, während andere kaum eine Aufgabe ohne Hilfe lösen können und permanente Betreuung samt Grundlagenwiederholung bräuchten. Diese Leistungsunterschiede verstärken das Problem fehlender Selbstständigkeit und führen zu weiteren Konflikten. Für die Lehrkraft wird Unterricht dabei zur Zerreißprobe, weil man den einen zu wenig gerecht wird, da sie mehr Förderung, Betreuung und Hilfe bräuchten. Den anderen wird man aber auch nicht gerecht, weil man ständig Tempo aus dem Unterricht nehmen muss und leistungsstärkere Schüler*innen dadurch ausbremst. In der Folge entstehen Überforderung und Frust auf der einen Seite, auf der anderen Langeweile und Enttäuschung.
Die Betroffenen bringt das an ihre Belastungsgrenze und darüber hinaus
Um all das irgendwie aufzufangen, wird Unterricht kleinschrittig vorbereitet, damit möglichst wenig Leerläufe entstehen. Neben den Klassenregeln werden Belohnungs- und Erziehungsmaßnahmen wie eine Verhaltensampel eingesetzt, um Ordnung in der Klasse herzustellen. Daneben gibt es Rituale der Ermutigung wie das Team-Pin-Board, Reflexionen, erste Gehversuche im Klassenrat, Elterngespräche, Einzelgespräche mit Schüler*innen, Gespräche mit der Polizei und dem Jugendamt, Schulpsychologen, dem Mobilen sonderpädagogischen Dienst, Sozialkompetenztrainings und Rücksprache mit den Kolleg*innen aus der Jugendsozialarbeit. Darüber hinaus werden Schulstrafen verhängt, Mitteilungen und Verweise verschickt und alles dokumentiert, um bei weiteren Eskalationen „schärfere“ Ordnungsmaßnahmen in die Wege leiten zu können.
Das Klassenlehrer*innenprinzip ist dabei Fluch und Segen zugleich. Einerseits sind die pädagogischen Wirkungsmöglichkeiten größer, weil man sehr viel Zeit mit der Klasse verbringt. Andererseits lastet ein enorm hoher Druck auf nur einer Person. Fällt diese dann aus gesundheitlichen Gründen aus, muss die schwierige Klasse kurzfristig vertreten werden, was die Disziplinprobleme in der Regel verschlimmert. Ist man dann wieder im Einsatz, müssen Regelsysteme und Rituale häufig wieder neu einstudiert werden.
Alle Maßnahmen beanspruchen nicht nur Zeit während des Unterrichts, sondern gehen weit darüber hinaus und belasten psychisch. In der Folge steigt die Frustration, man geht mit zunehmender Anspannung in den Unterricht, schläft schlecht und findet auch außerhalb der Schule nicht mehr zu Entspannung und Ausgleich, weil man gedanklich noch die letzten Konflikte zu verarbeiten hat. Und wenn man trotz zahlreicher Bemühungen und harter Konsequenzen dann noch Sprüche von Schüler*innen hört wie „Rufen Sie halt bei meinen Eltern an“ (im Wissen, dass dann nichts passiert) oder „Geben Sie mir halt eine Sechs“ (weil sich dieses Kind schon selbst aufgegeben hat), dann weiß man, wo die Grenzen unseres Schulsystems liegen. Dort, wo Bildungsangebote nicht mehr angenommen werden wollen oder aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr angenommen werden können. Kurzfristig mag man eine solche Phase überbrücken, mittel- und langfristig macht das die Gesundheit von Lehrkräften kaputt.
Buisness as usual?
Nun könnte man an dieser Stelle entgegenhalten, dass diese Art von Erziehungstätigkeiten schlicht zum Lehrer*innen-Dasein dazu gehören. Buisness as usual sozusagen, an Haupt-, Mittel-, Förder- und Sekundarschulen weiß man das ja. Im Prinzip stimmt das auch: Die Erziehungsarbeit stellt eine Kernaufgabe von Lehrkräften dar, ebenso wie das Herstellen strukturierter Unterrichtsbedingungen eine Grundlage von gutem Unterricht ist. Wenn die Erziehungsarbeit in der Klasse jedoch alles andere überlagert, Lehrkräfte überforderte Erziehungsberechtigte in ihrer familiären Erziehungsarbeit ersetzen müssen und damit ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen, darf dem nicht tatenlos zugesehen werden. Dann gilt es, solidarisch zusammenzurücken, um die betroffenen Kolleg*innen zu unterstützen.
Leider gelingt aber gerade das häufig nicht. Im Gegenteil: An diesen Beispielen lässt sich ablesen, wie stumpf und unflexibel unsere Möglichkeiten in der Schule sind – und von welchen Akteur*innen sie abhängen.
Einfachste Unterstützungsmaßnahmen können nicht umgesetzt werden
Wie beschrieben stoßen schulische Ordnungsmaßnahmen in diesen Extremfällen an ihre Grenzen. Mitteilungen, Verweise und Ausschlüsse entfalten ihre disziplinierende Wirkung nur dann, wenn Erziehungsberechtige in der Lage sind, ihre Kinder bei schulischen Belangen zu unterstützen und erzieherisch aktiv zu werden, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Gelingt dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht, verpuffen diese Instrumente. Verweise und co. sind ohne Mitwirkung der Familien in der Erziehungspartnerschaft von Elternhaus und Schule nicht mehr als Verwaltungs- und Dokumentationsangelegenheiten – letztlich ohne pädagogischen Effekt. Im Gegenteil: Häufig beschädigen sie die Beziehung zwischen Lehrkräften und Schüler*innen, sodass sich beziehungsorientierte Ansätze weniger gut entfalten können.
Ebenso begrenzt sind Schulen aber auch in ihren Unterstützungsmöglichkeiten für Lehrkräfte: Einfachste Maßnahmen können aufgrund von organisatorischen Hürden oder fehlenden Ressourcen nicht umgesetzt werden. Das Teilen von schwierigen Klassen, um diese vorübergehend in zwei Gruppen und mit zwei Lehrkräften zu unterrichten, scheitert in der Regel an fehlenden Lehrer*innenstunden und einem Mangel an Räumen. Ähnlich verhält es sich mit einer zweiten Lehrkraft, die mit in die Klasse gehen und für Entlastung sorgen könnte. Auch das geht aus Gründen des Personalmangels nur punktuell. Da Klassenzimmer meist klein und einheitlich geschnitten sind, fällt auch ein Wechsel in einen größeren Raum normalerweise aus.
Was bleibt? Schüler*innen könnten in die Parallelklasse wechseln. Wenn es diese allerdings nicht gibt oder sich der Unterricht auch dort nicht einfacher gestaltet, ist das ebenso keine Option wie Schüler*innen auf andere Arten „loszuwerden“. Ein Wegberaten, durchfallen lassen oder aufgrund von Ordnungsmaßnahmen der Schule zu verweisen mag an Gymnasien eine Möglichkeit darzustellen. An Haupt-, Mittel-, Förder- und Sekundarschulen erreicht man auf diesem Weg nichts. Darüber hinaus wären Entlastungen an anderer Stelle für die betroffenen Kolleg*innen denkbar, bspw. die Verringerung der zu haltenden Unterrichtsstunden oder die Befreiung von Zusatzaufgaben. Was einfach klingt, scheitert aber an dienstrechtlichen Vorgaben, die es verbieten, die Unterrichtsverpflichtung bei gleicher Bezahlung „einfach so“ zu reduzieren. Kurzum: Unterm Strich muss eine pädagogische und ursachenorientierte Lösung gefunden werden, weil flexible strukturelle Entlastungsansätze nicht zur Verfügung stehen.
Schulleitungen müssen Unterstützungsstrukturen aufbauen
Sobald Disziplinprobleme nicht mehr innerhalb eines Klassenzimmers gelöst werden können, berühren sie die Zuständigkeit von Schulleitungen und sind Herausforderungen für den Schulentwicklungsprozess einer gesamten Schule. Neben pädagogischen Fragestellungen und strategischen Überlegungen geht es dabei auch um rechtliche Aspekte, bei denen sich Lehrkräfte absichern müssen. In diesen Momenten braucht es Schulleitungen mit Führungsstärke, die sich schützend vor Lehrkräfte stellen und nicht vor schwierigen (und unpopulären) Entscheidungen zurückschrecken. Je nach Einzelfall müssen unterschiedliche Akteur*innen an einen Tisch gebracht oder schwierige Elterngespräche geführt werden. Darüber hinaus braucht es Verantwortliche, die die rechtlichen Spielräume der Schulordnungen kennen und im Zweifelsfall weitere Beratungen einholen, um Rechtssicherheit herzustellen.
Freilich stellt es auch für Schulleitungen eine große Herausforderung dar, sich in diesen Situationen vor die eigenen Lehrkräfte zu stellen. Häufig kennen Sie die betreffenden Schüler*innen und deren Eltern flüchtig oder gar nicht und waren in den entsprechenden Unterrichtssituationen nicht dabei. Aus diesem Grund ist es verständlich, wenn Schulleitungen erst einmal darauf drängen, derartige Probleme „vor Ort“, also in den jeweiligen Klassen, zu lösen. Schulleitungen, die aber bei eskalierenden Situationen mit Schüler*innen ihre Bürotür schließen und sich nicht zuständig fühlen, verstärken das Problem. Sie verstärken das Gefühl, mit Konflikten dieser Art allein fertig werden zu müssen. Sie tragen dadurch dazu bei, dass Lehrkräfte mit dem Gefühl in die Schule gehen, einfach „Pech“ mit der eigenen Klasse gehabt zu haben und die einzige Option darin besteht, das jetzt „auszuhalten“ bis man wieder mehr „Glück“ mit anderen Lerngruppen hat.
Besser wäre es, wenn Schulleitungen für mehr Ausgleich sorgen würden, Unterstützungsstrukturen aufbauen und mit einem offenen Ohr, Schokolade und Rückendeckung bereitstehen, wenn Lehrkräfte mit ihrem Latein am Ende sind. Und das in Verbindung mit dem Signal, dass es kein Zeichen von Schwäche ist, mit einer Klasse nicht zurecht zu kommen. Dass es sich nicht auf die dienstliche Beurteilung auswirkt und dass diese Art der solidarischen Unterstützung ein Kernanliegen von Führung in einem kollegialen Miteinander darstellt.
Es geht auch um ein Spüren von Solidarität
Das gilt auch für die Bearbeitung derartigen Themen mit dem ganzen Kollegium. Neben Aufsichtsüberlegungen, Hausordnungen, Pausenhofregeln, Auszeitmodellen, Trainingsraumkonzepten, Hilferuf-Systemen, einer Einberufung des Disziplinarausschusses oder der gezielten Installation von pädagogischen Programmen (z.B. Sozialkompetenztrainings), geht es vor allem auch um den gemeinsamen Austausch, ein Zuhören und Signalisieren von Unterstützung und ein Spüren von Solidarität. Je schwieriger sich der Unterricht mit den Schüler*innen darstellt desto mehr müssen Kolleg*innen zusammenrücken. Aus meiner Sicht sollte das bei einem akuten Anlass sogar relativ schnell geschehen bzw. idealerweise präventiv und regelmäßig als Schulentwicklungsthema bearbeitet werden. Überträgt sich die destruktive Wirkung von massiven Disziplinkonflikten von einer oder mehreren Klassen auf die Schulleitung, binden die zahlreichen Vorfälle so viel Zeit und Aufmerksamkeit, dass andere Themen verständlicherweise nicht mehr oder zumindest weniger ausführlich bearbeitet werden können. Im schlimmsten Fall sind ganze Kollegien und mit ihnen alle weiteren Schulentwicklungsprozesse gelähmt, wenn es nur noch darum geht, einigermaßen eskalationsfrei durch den Alltag zu kommen.
Freude am Beruf wiederentdecken
Für die Kolleg*innen, mit denen ich sprechen durfte, wünsche ich mir, dass sie die Freude an ihrem Beruf wiederentdecken, in ihren Schulen um Unterstützungsstrukturen kämpfen, ihre Wirksamkeit im Alltag mit ihren Schüler*innen spüren und sich trotz aller Belastungen nicht von ihrem pädagogischen Weg abbringen lassen. In allen Fällen weiß ich, dass es nicht an einer schwachen Lehrer*innenpersönlichkeit, am fehlenden Wissen um Classroom-Management oder an mangelnder Einsatzbereitschaft liegt. Alle Personen haben sich trotz defizitärer Ausbildungsangebote an der Universität und im Vorbereitungsdienst intensiv mit dem Umgang mit schwierigen Schüler*innen beschäftigt und bilden sich auch in dieser Hinsicht laufend fort. Die Zusammensetzung der Schüler*innen in ihren Klassen lässt sich unter den gegenwärtigen Bedingungen einfach nicht erfolgreich(er) managen. Es sind zu viele Kinder auf zu engem Raum, mit zu unterschiedlichen Voraussetzungen, zu viele, die Schulkarrieren des Scheiterns hinter sich haben, zu viele mit psychischen Auffälligkeiten, zu viele Familien, die nicht den nötigen Rückhalt bieten, zu viele Unterrichtsstunden pro Woche und zu viele Baustellen, die parallel bearbeitet werden müssen. Hinzu kommt, dass auch Schüler*innen „Pech“ mit ihren Lerngruppen haben und sich ihre Lehrkräfte nicht aussuchen können, auch wenn sie ebenso andere Bedingungen bräuchten wie Lehrer*innen.
Die beschriebenen Schwierigkeiten dürften tausende Lehrkräfte in allen Schularten betreffen, die Tag für Tag um Disziplin und Aufmerksamkeit kämpfen und eigentlich nur störungsarmen Unterricht halten möchten. Täglich lassen Lehrer*innen Kräfte, weil sie über ihre eigenen Ressourcen arbeiten und damit die eigene Gesundheit aufs Spiel setzen – in einem System, dass ihnen das nicht dankt und auf systemischer Ebene zu wenig Instrumente bereithält, um flexibler auf derartige Herausforderungen eingehen zu können. Ihnen allen wünsche ich, dass sie starke Schulleitungen und solidarische Kollegien hinter sich haben, die sie unterstützen, wo es nur geht. Die ihnen signalisieren, dass eben nicht einfach nur Glück oder Pech ist, welche Klasse(n) man erwischt und dass man mit diesen Herausforderungen nicht allein dasteht. Denn: Gute Schule macht man nur gemeinsam, auch und vor allem in schwierigen Phasen.
Leseempfehlungen zum Thema „Umgang mit schwierigen Klassen“
Eichhorn, Christoph (2012): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta.
Erläuterungen zum Team-Pin-Board und zum Klassenrat.
Eine hilfreiche Gedankensammlung zum Überdenken der persönlichen Wege der Konfliktregelung vom 2009 verstorbenen Prof. Dr. Kurt Singer.
Eine interessante Handreichung vom Staatlichen Schulamt Göppingen gibt es auch beim KM Baden-Württemberg.
Bayerische Lehrkräfte können sich darüber hinaus an die Staatliche Schulberatung wenden.
Titelbild: newannyart via www.istock.com; Bearbeitet von J.F.
Veröffentlicht am 15. Dezember 2021
Die destruktive Wirkung entfaltet sich bei engagierten Lehrer*innen, die vorangehen wollen, die ihren Schüler*innen mehr bieten wollen und, die einen größeren Anspruch haben, als die bloße Vermittlung von Lernstoff. Für die Umsetzung ist die gute Beziehungsebene, das erfolgreiche Klassenmanagement, ein gutes Unterstützungssystem und auch die Motivation der Schüler*innen Voraussetzung. Beim näheren Hinsehen wird schnell klar, wie irre diese Erwartungshaltung ist. Beeinflussen können Lehrer*innen aktiv höchstens die Entwicklung der eigenen Lehrerpersönlichkeit bzw. das eigene Management.
Schüler*innen sollen bereits über die Fähigkeit verfügen, Vorschriften und Verhaltensweisen einzuhalten, sich in der Gemeinschaft einzufügen und auch aktiv den eigenen Willen und ihre Gefühle beherrschen.
Nun befinden sich Lehrer*innen im Spannungsfeld zwischen den vorgefundenen Voraussetzungen und den eigenen Ideen und Ansprüchen. Enttäuschung ist vorprogrammiert.
Dein Text trifft den Nagel auf den Kopf. Vielen Dank dafür!
Lieber Joscha, du hast die Problematik anschaulich erfasst! Es ist wirklich wichtig, dass genau diese Herausforderungen in unserem Beruf in den Vordergrund gerückt werden, damit Lösungen gefunden werden können. Vielleicht sollten bei Bedarf in der Schulentwicklung auch vermehrt die Förderung des Zusammenhalts im Kollegium und die Unterstützung durch die Schulleitung thematisiert werden. Meiner Meinung nach würde es auch sehr helfen in schwierigen Klassen nicht nur im Tandem (selbst das ist nur selten umsetzbar), sondern sogar im Team zu unterrichten. Viele Situationen würden, verteilt auf mehrere Schultern, am Ende des (Schul-) Tages leichter getragen werden können, wenn man darüber sprechenn könnte und sich gemeinsam verantwortlich fühlen könnte. Auch die flexible Entlastung für eine Klassenführung finde ich sehr sinnvoll und schon längst überfällig. Letztendlich bräuchte es dann natürlich auch noch viel mehr qualifiziertes Personal, dann könnten die Belastungen schnell reduziert oder eben gemeinsam gestemmt werden.
Danke für deinen Beitrag. Diese Stimmen werden (noch) viel zu selten gehört.
Hoffentlich bis bald!