Vier Beispiele zur Erstellung interaktiver Lernmaterialien
Die Arbeit mit generativer KI in Schule und Unterricht ist spannend und ausgesprochen vielseitig. Und obwohl wir mit dieser Technologie noch immer am Anfang stehen, ist schon deutlich zu erkennen, in welchen Bereichen sie Lehrkräften nützlich sein kann. Zum Beispiel, indem sie uns hilft, Bilder, Texte und vielseitige Materialien zu generieren, für deren Entwicklung wir ohne KI deutlich mehr Zeit (und/oder Geld) investieren müssten.
Mittlerweile habe ich verschiedenste Einsatzmöglichkeiten getestet, Potenziale und Grenzen ausgelotet und mich in zahlreichen Fortbildungen mit Kolleginnen und Kollegen darüber ausgetauscht. Dabei zeigt sich, dass die Bandbreite an Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft ist, weil deren Vielfalt durch die Kombinationen aus Prompt und Inhalt unermesslich groß ist.
Bestimmte Anwendungsfelder sind „gesetzt“
Bestimmte Bereiche lassen sich dennoch als „gesetzt“ bezeichnen, weil hier mit wenig Aufwand gute Ergebnisse erzeugt werden können. Gemeint sind z. B. die Erstellung von Info-Texten, Differenzierungsmaterialien, Lückentexten, Übersetzungen oder Arbeitsaufträgen, die erstellt, bearbeitet und genutzt werden können – selbstverständlich aber eine inhaltliche Prüfung durch die Lehrkraft erfordern.
Nun erfordert es jedoch Übung, bestimmte Workflows aufzubauen und im Alltag bei Bedarf routiniert abrufen zu können. Bei den bisher genannten Beispielen besteht die Herausforderung im Wesentlichen darin, an die KI-Option zu denken und diese dann zu nutzen. Der (lineare) Einsatz (Prompt => fertiges Ergebnis) ist an sich nicht sonderlich schwierig. Komplexer, übungsintensiver, aber auch spannender wird es, wenn mehrstufige Abläufe zwischen verschiedenen Software-Systemen durch KI angestoßen werden, um völlig neue Ergebnisse entstehen zu lassen (Prompt, evtl. in Verbindung mit Material => Nutzung in verschiedenen Apps => fertiges Ergebnis).
Diese Workflows erfordern komplexere Promtps, gegebenenfalls Bearbeitungs- und Anpassungsschleifen im Dialog mit der KI und die Weiterverarbeitung der Ergebnisse in anderen Programmen (App Smashing). Im Folgenden möchte ich vier Beispiele in diesem Stil vorstellen, die gerne nachgemacht und in andere Kontexte übertragen werden dürfen.
Vom Video zum interaktiven H5P-Quiz
Ausgangspunkt meiner Workflows zum Erstellen interaktiver Lernmaterialien war die Entdeckung einer Google Chrome Erweiterung namens „ChatGPT for YouTube“. Damit können YouTube-Videos transkribiert und mit einem Klick als Text kopiert werden. Indem dieser zu ChatGPT übertragen wird, kann mit verschiedenen Prompts auf das Material zugegriffen werden, z. B. um Quizfragen zum Transkript (also zum Video) erstellen zu lassen. Im Anschluss daran sollte das Quiz aber nicht ausgedruckt, sondern in einer digitalen und interaktiven Form zur Verfügung gestellt werden. Dazu habe ich die Quizfragen beim H5P-Inhaltstyp „Single-Choice“ als Text eingegeben und somit ein interaktives Quiz erstellt. Im selben Stil können aber auch andere H5P-Typen angesteuert werden, so z. B. Multiple-Choice, Fill in the blanks oder Drag the words.
Vom Podcast zum interaktiven Forms-Quiz
Im zweiten Beispiel habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, eine interaktive Quiz-Übung zu einem Podcast zu erstellen, in diesem Fall zu den NDR-Kindernachrichten. Da ChatGPT (noch) keine Audio-Dateien verarbeiten kann, musste eine Software zum transkribieren der heruntergeladenen Datei her. Nach längerer Suche bin ich bei den KI-Tools von fobizz fündig geworden, mit denen ohne Probleme Transkripte erstellt werden können. Als Alternative zu H5P sollte in diesem Fall Microsoft Forms zum Einsatz kommen, um jede Quiz-Frage mit Punkten versehen und anschließend als Aufgabe zuweisen zu können. Dazu kann der Text der Audio-Datei zu ChatGPT kopiert und die Erstellung von Fragen in Auftrag gegeben werden. Das Ergebnis muss jedoch in einem Zwischenschritt in einem Word-Dokument gespeichert werden. Innerhalb von MS Forms kann diese Word-Datei über den Schnellimport eingespielt werden, sodass ein fertiges Quiz angelegt werden kann.
Vom Arbeitsblatt zum interaktiven Kahoot-Quiz
Im dritten Beispiel wollte ich die multimodalen Möglichkeiten von ChatGPT Plus testen, um ein interaktives Quiz zu einem bestehenden Material zu erstellen. Dazu habe ich einen Screenshot eines zusammenfassenden Arbeitsblattes bei ChatGPT hochgeladen und dazu Quizfragen generieren lassen. Der Prompt war darauf ausgerichtet, die Ergebnisse in einem Kahoot-fähigen Tabellenformat ausgegeben zu bekommen (die Excel-Vorlage dazu kann direkt bei Kahoot heruntergeladen werden). Ähnlich wie vor dem Schnellimport zu MS Forms müssen die Quiz-Fragen hier in eine Excel-Vorlage eingespielt und zwischengespeichert werden. Bei der anschließenden Erstellung eines neuen Kahoot-Quiz kann diese Datei dann hochgeladen werden.
Vom Buchtext zur Audioausgabe
Im letzten Beispiel soll gezeigt werden, wie der Prozess in die andere Richtung aussehen kann. Der Ausgangspunkt ist hierbei ein Text aus dem Schulbuch, der noch nicht digitalisiert vorliegt. Mithilfe der OCR-Texterkennung eines iPhones kann dieser über die Kamera erfasst, kopiert und anschließend weiterverarbeitet werden, z. B. durch eine generative Sprach-KI wie ElevenLabs. Wird der Text hier eingefügt, erzeugt die Anwendung ein authentisches Audio, das entweder direkt abgespielt oder als Datei heruntergeladen werden kann. Dies ermöglicht es einerseits, Hörverstehensübungen in Deutsch und/oder in Fremdsprachen im Handumdrehen entstehen zu lassen. Andererseits können so unkomplizierte Audios zu Text-Materialien erstellt werden, z. B. für Differenzierungen oder ein Stationenlernen. Und zu guter Letzt steckt in diesem Vorgehen auch noch Potenzial in dem Sinne, dass Schüler:innen diesen Workflow für sich nutzen können. Ist z. B. ein Buchtext unklar oder ein Inhalt nicht verstanden, kann über die Texterkennung der Kamera unkompliziert Hilfe durch ein KI-System angefordert werden. Ein möglicher Prompt könnte dann bspw. lauten: „Bitte erkläre mir diesen Inhalt in einfacheren Worten“.
Kombinationen
Selbstverständlich können die unterschiedlichen Workflows kombiniert und/oder auf andere Anwendungsgebiete übertragen werden. Die Eingabe eines KI-generierten Textes bei H5P ermöglicht ja neben Quiz-Übungen das Erstellen verschiedenster Inhaltstypen. Wenn eine Audio-Datei als Transkript vorliegt, können diese Übungen auch zu diesem Medium erstellt werden, ebenso wie die Bilderkennung unterschiedlichster Materialien (Foto oder Screenshot) Workflows hin zu H5P oder MS Forms ermöglicht. Und letztlich können so auch Übungen zu Buchtexten generiert werden, die per Foto oder Texterkennung der Kamera digitalisiert wurden.
Berücksichtigt man die Entwicklungsgeschwindigkeit, mit der solche Workflows nach knapp einem Jahr ChatGPT möglich geworden sind, so kann man davon ausgehen, dass noch zahlreiche andere Workflows zu unterschiedlichsten Einsatzgebieten kommen werden. In diesem Sinne lohnt es sich dranzubleiben. Bezüglich der vorgestellten Möglichkeiten wünsche ich viel Freude beim Ausprobieren und Anpassen.
Und ich freue mich über Hinweise, welche Workflows sich bei euch bewährt haben!
Die dargestellten Materialien können unter den Lizenzbedingungen aller Materialien dieses Blogs (soweit nicht explizit anders gekennzeichnet) verwendet werden: CC BY-NC-SA 4.0
Veröffentlicht am 1. November 2023
Danke für diese tolle Übersicht 🙂
Eine kleine Optimierungsmöglichkeit besteht beim Formsquiz, wenn man da noch einen Teilprompt anhängt, dann markiert Forms die korrekte Antwort automatisch. Hier der Teil der einen Arbeitsschritt erspart:
Füge die richtige Antwort nach jeder Frage hinzu, schreibe statt Antwort nur ANS: und den Buchstaben der richtigen Antwort, wiederhole die korrekte Antwort nicht, nur den
Viel Spass beim Ausprobieren. Nicole